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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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während Martha ohne ein weiteres Wort aus der Kammer schlüpfte. Was hatte sie damit gemeint: Früher oder später wird alles Glück zunichte, ganz gleich, wie sicher man sich wähnt. Die Vergangenheit holt einen doch wieder ein. Selbst unsere Herrin hat das erfahren. Ging es darum, dass der Herzog wahrscheinlich sterben würde? Aber das hatte nichts mit der Vergangenheit zu tun. Es musste da etwas anderes geben.

    »Wie geht es meinem armen Herrn?«, fragte Reinmar des Morgens, als sie sich in der großen Halle mit den restlichen Höflingen ein Mahl teilten. Walther, dessen Schlaflosigkeit längst mehr durch ungelöste Aufträge als durch mangelnde Schaffenskraft bedingt war, entgegnete mit einer Grimasse: »Der größte Teil von ihm leidet noch Qualen, doch ein kleines Stück hat den ewigen Frieden unter Rosen gefunden.«
    Erst, als auf seine spitze Bemerkung eisiges Schweigen folgte, dämmerte es ihm, dass er das Falsche gesagt hatte. Reinmars Mund war zu einer dünnen Linie der gekränkten Empörung geworden; auf seiner Stirn standen so viele Falten, dass sie wie ein sommerliches Ackerfeld wirkte.
    »Weißt du, warum du nie ein großer Dichter werden wirst? Du hast kein Herz, Walther. Keinen Sinn für das Höhere und kein Mitleid für die Menschen. Nichts als dein eigenes Wohl kümmert dich. Wie willst du da etwas schreiben, das anderen Menschen die Herzen rührt?«
    Walther hatte einen Tadel über sein Verhalten erwartet, aber nicht diese Anschuldigung. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sein Lehrherr ihn geohrfeigt hätte. Doch Reinmar war eben ein Künstler der Worte und wusste, wie man sie setzen musste, um zu treffen. Walther sagte sich, dass nichts davon stimmte, dass Reinmar sehr wohl an sein Talent glaubte, denn sonst hätte er sich in den letzten zwei Jahren kaum mit ihm abgegeben.
    Vielleicht hatte Reinmar es aber auch nur getan, weil er langsam alt wurde und es ihm die Zeit vertrieb? Vielleicht hatte er recht, und Walthers Fähigkeit, in der Krankenstube eines siechen Mannes an sein eigenes Wohl zu denken, bewies, dass er im Inneren hohl war. Vielleicht war es das, was dafür sorgte, dass seine Lieder zwar gut waren, aber eben nicht außergewöhnlich? Nichts, was nicht schon da gewesen war, in der einen oder anderen Form.
    Die Zweifel plagten ihn, mehr, als es die Mischung aus Drohung und Versprechen von Friedrich getan hatte, und Walther stellte fest, dass er dieses Gefühl hasste. Nun, er konnte Reinmar zumindest zeigen, dass auch er seine Worte zu setzen verstand.
    »Vielleicht blutet mein Herz nicht jedes Mal, wenn man es kratzt«, entgegnete er langsam, »aber ob ich eins habe oder nicht, das könnt Ihr gar nicht wissen. Ihr seid selbst zu sehr damit beschäftigt, auf das Eure zu hören, und wenn es nach Euren Liedern geht, dann schlägt es immer den gleichen Ton an. Ist ihm dann noch zu glauben?«
    Es war für die nächsten Tage das Letzte, was er zu Reinmar sagte. Es war nicht weiter schwer, dem älteren Sänger auszuweichen, vor allem, da Walther beschloss, dass es ihn nun wirklich kümmerte, was aus dem verfluchten englischen Silber geworden war und worauf genau Friedrich hinauswollte. Da weder vom Herzog noch seinem Sohn noch irgendeiner der Damen, in deren Gunst er stand, irgendetwas zu erwarten war, musste er sich einen neuen Brunnen suchen, in der Hoffnung, dass sich an seinem Grund wirklich eine Quelle verbarg.
    Walther war nicht entgangen, dass Bischof Wolfgers Sohn durchaus dankbar für unterhaltsame Gesellschaft und für Branntwein gegen die Winterkälte war. Außerdem hatte er nicht zuletzt bei der schönen Wirtin in Erdberg gelernt, dass man im Alkohol eigentlich alles bewahren konnte, bloß keine Geheimnisse der Menschen. Tatsächlich begann der junge Hugo schon bei dem zweiten gemeinsamen Zechgelage, über die widrigen Umstände seines Lebens zu klagen.
    »Es ist jedes Mal dasselbe, wenn mein Vater mich an einen Hof mitnimmt, wo man mich noch nicht kennt«, sagte er düster. »Alle denken sie, ich sei ein Bastard, eine Sünde, der man sich schämen muss, und meine arme verstorbene Mutter eine Metze. Dabei ist doch mein Vater nicht der einzige Mann, der nicht schon von Kind auf zum Priester bestimmt war und seine Berufung erst spät fand! Er hat die Welt erlebt und dann das geistliche Leben gewählt, aus freien Stücken. Wenn Ihr mich fragt, Herr Walther, dann ist dergleichen besser als das, was der Kaiser gerade mit seinem jüngsten Bruder gemacht hat. Der Philipp hat im Leben

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