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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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haben.«
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben, kannte Walther von den Liedern, die in Frankreich verfasst wurden, nur die, welche König Richard zitiert hatte. Da er die Langue d’oc vom anderen Rheinufer nicht beherrschte, musste er sich bei den Liedern der Troubadoure auf Reinmars Beschreibungen verlassen, und die waren natürlich durch das eingeschränkt, was Reinmar mochte oder nicht schätzte. Er hatte einfach nur ein Wortspiel gemacht, um Friedrichs Bemerkung eine neue Wendung zu geben, und nahm sich vor, mehr von der welschen Sprachen zu lernen. Aber hier und jetzt galt es, so zu tun, als wüsste er bereits, von was er redete, und vor allem nicht eingeschüchtert zu wirken. Einfach nur »wie Euer Gnaden meinen« zu murmeln und zurück in die Ecke zu kriechen, dazu war jeder Dummkopf fähig. Es lag ihm eine Antwort über Dompfaffen auf der Zunge, doch sein gesunder Menschenverstand war stärker. Ganz gleich, welche Schwierigkeiten der Herzog derzeit mit dem Bischof hatte, Wolfger und sein Sohn waren herzogliche Gäste. Einen solchen zu beleidigen, konnte Walther das Dach über dem Kopf kosten.
    Der Herzog nannte ein paar Tiere sein Eigen, von denen Walther vor seiner Ankunft in Wien noch nie gehört hatte und die Leopold seinen Gästen stolz zu präsentieren pflegte. Einige stammten aus dem Heiligen Land, andere aus dem fernen Byzanz, denn die Mutter des Herzogs war eine oströmische Prinzessin gewesen. Unter diesen Tieren war auch ein Vogel, Papagei genannt, der einzelne Worte nachsprechen konnte, und die Erinnerung an das Tier mit dem krummen Schnabel und der schnarrenden Stimme kam Walther nun zu Hilfe.
    »Selbst ein Spatz«, sagte er höflich, »hat einen eigenen Gesang, und daher danke ich Euch, Herr. Nicht auszudenken, hättet Ihr mich einen Papageien geheißen, der den Troubadouren einfach nur nachplappert, was sie von sich geben!« Er sah, wie Reinmar zusammenzuckte. Nicht auf eine verlegene Art wie vorhin, sondern als fühle er sich durch Walthers Bemerkung selbst getroffen und gekränkt, was überhaupt nicht in Walthers Absicht gelegen hatte; der Satz war für den Bischofssprössling gedacht gewesen.
    Einen Herzschlag lang herrschte Schweigen im Raum, bis Friedrich in Gelächter ausbrach, das gleiche tiefe, rauhe Gelächter aus vollem Hals, das man von seinem Vater kannte. Der Bischofssohn zuckte die Achseln, doch er lächelte zumindest.
    »Herr«, mahnte Reinmar mit dünner Stimme, »haltet Ihr es wirklich für angebracht, zu lachen, während Euer edler Vater in seinen Qualen daniederliegt?«
    Walther hatte noch nie erlebt, dass Reinmar einem Mitglied der herzoglichen Familie gegenüber tadelnd geworden war. Für Reinmar war Respekt gegenüber Höhergestellten eines der wichtigsten Dinge im Leben.
    »Herr Reinmar hat recht«, sagte Leopold scharf. »Wir sollten alle in die Kapelle gehen und um die baldige Genesung unseres Herrn Vater beten, nicht losen Scherzen lauschen.« Unglücklicherweise wurde die Wirkung seines Tadels dadurch beeinträchtigt, dass die Stimme des Fünfzehnjährigen bei den »losen Scherzen« empört nach oben kletterte; es kostete Walther einiges an Beherrschung, um keine Miene zu verziehen. Der Fiedler aber grinste, was sich als verhängnisvoller Fehler erwies. Peinlich berührt von seinem unmännlichen Piepsen, drehte sich Leopold in Richtung des Gangs, erblickte dabei den Spielmann und wurde feuerrot.
    »Hundsfott!«, schrie er und schlug nach dem Spötter. »Wagst du es, über das Leiden meines Vaters zu lachen!«
    Der Spielmann war größer und stärker als Leopold und bestimmt zehn Jahre älter, doch er rührte sich nicht, um sich wegzuducken. Er nahm den Schlag hin, wie es seinem Stand entsprach: Er war ein Nichts, und Leopold, der Sohn eines Herzogs, war alles. Es sei denn, ein König oder Kaiser taucht am Wiener Hof auf, dachte Walther, und das wird so schnell nicht mehr geschehen. Er konnte den Blick nicht von dem Geschlagenen abwenden. Das hätte er selbst sein können, wenn er nicht darauf bestehen würde, Herr Walther von der Vogelweide zu sein. Doch dann wandte sich Leopold erneut um, immer noch mit erhobener Faust, und Walther wurde bewusst, dass auch ein Herr Walther tief, tief unter einem Fürstensohn stand.
    »Und Ihr, Ihr …«
    »Bruder«, unterbrach ihn Friedrich, »du hast recht. Lass uns in die Kapelle gehen und für unseren Herrn Vater beten. Das ziemt sich mehr als alles andere.«
    Leopold hielt inne und blinzelte. Dann entschied er, dass jetzt darauf zu

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