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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wird er dem Herzog den Gefallen tun, da zweifelt mein Vater überhaupt nicht, und er kennt den Staufer. Bestimmt haben die zwei sich vor zwei Monaten in Gelnhausen bereits darauf verständigt.«
    »Eines habe ich nie verstanden«, gab Walther aufrichtig zu. »Warum besteht der Heilige Vater nicht darauf, dass der Kaiser sein unrechtes Gut genauso zurückgibt wie der Herzog? Nur, weil die versammelten Ritter des Kaisers so nahe bei Rom stehen?«
    »Ich will nicht hoffen, dass Ihr dem Papst Feigheit vorwerft!«, brauste Hugo auf. »Auch dem Kaiser ist mit dem Bann gedroht worden, aber der hat gelobt, einen Kreuzzug zu führen, jetzt, wo die Eroberung des Königreichs Sizilien auch auf dem Festland vollständig abgeschlossen ist. Für einen solchen gottgefälligen Zweck unrechtes Gut auszugeben, ist angemessene Buße.«
    Wenn du das sagst, dachte Walther, hütete sich jedoch, den Gedanken laut auszusprechen. Jetzt hatte er zwei Geheimnisse, mit denen er wuchern konnte. Die merkwürdige Bemerkung der Dame Martha über die Herzogin schien etwas zu bestätigen, was Hugo jetzt mit einem Fremden im eigenen Sattel andeutete. Das konnte der Bischof nur durch einen Bruch des Beichtgeheimnisses durch den Beichtvater der Herzogin erfahren haben. Obwohl Hugo noch etwas damit prahlte, dass ihm sein Vater versprochen habe, ihn nach Rom mitzunehmen und dort vorzustellen, gab es trotz reichlich vorhandener Getränke keine weiteren Auskünfte mehr, die für Walther von Bedeutung waren. Schließlich schleppte er den weinseligen Bischofssprössling in das Gemach, das dieser mit seinem Vater und dessen Sekretär teilte, und dachte nach.
    Wenn Friedrich nach seines Vaters Tod auf einmal nur mit der Hälfte seines Herzogtums dastehen würde und noch dazu in die Ferne ziehen sollte – was hieß, dass sein Bruder dann Regent für das gesamte Österreich wurde –, wäre es für ihn wahrlich von großem Nutzen zu wissen, wo der nicht verbaute Teil des englischen Lösegelds geblieben war. Ehrenmänner wie Reinmar glaubten zwar an ihre Eide, doch Walther vermutete, dass viele der immer hungrigen Höflinge bei dem Herzogssprössling bleiben würden, der großzügiger sein konnte als der andere. Er schloss sich selbst dabei nicht aus. Schließlich hatte er kein Gut, von dem er leben konnte; er war auf Gönner angewiesen, die nicht sparen mussten.
    Allerdings durfte er sich nicht auf Hugo und Martha als einzige Auskunftsquellen verlassen, zumal der Bischof und sein Sohn offensichtlich auch nicht wussten, wo das Silber sein konnte. Was den Herzog selbst betraf, so erwiesen sich all die so oft erzählten Geschichten von Menschen, die sich im Schlaf die Seele erleichterten oder aber an der Schwelle des Todes das Bedürfnis verspürten, die Wahrheit zu sprechen, als schlecht zusammengereimt. Walther wurde oft genug vorgelassen, doch wenn der Herzog nicht bei Bewusstsein war, was nie länger als eine Stunde dauerte, dann stöhnte er höchstens im Schlaf, und wenn er wach war, dann wollte er entweder fünfzig Jahre alte Lieder hören, die ihn in seiner Jugend begeistert hatten, oder er diktierte Briefe an seine byzantinische Verwandtschaft auf Griechisch, so dass Walther kein Wort verstand. Er versuchte, auch den schreibenden Priester zu einem Zechgelage einzuladen, doch der schaute ihn nur verächtlich an und sagte: »Wenn Ihr glaubt, dass ich in diesen Tagen dem Teufel des Trunkes verfalle, jetzt, wo unser Herr mich mehr als je zuvor braucht, dann wisst Ihr wahrlich nicht, was es heißt, einem Edelmann zu dienen … Herr Walther.«
    Mein Gott, ein Aufrechter, dachte dieser, aber ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken.
    Was die Ärzte betraf, von denen mittlerweile drei immer wieder am Bett des Herzogs auftauchten, so schienen sie sich keinen anderen Rat zu wissen, als den vereiterten Beinstumpf des Herzogs zu betrachten und mit neuen Tinkturen einzupinseln, oder ihm ein Amulett mit den Hoden eines Wiesels um den Hals zu hängen, was angeblich die Schmerzen davonscheuchen sollte, von der ständigen Sterndeuterei über ungünstig stehende Gestirne ganz zu schweigen. Wenn Walther sie beobachtete, dann ertappte er sich dabei, inbrünstig zu hoffen, dass er niemals eine seiner Gliedmaßen verlor. Kein Wunder, dass der Herzog sie »Schlächter« genannt hatte. Über das englische Silber sprachen sie auch nie mit ihm, doch diese Scharlatane von Ärzten brachten Walther auf den nächsten Einfall, weil wiederholt Mägde von der Herzogin geschickt

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