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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wohl und sah,
Was jeder tat und dachte da.
Ich hört’ in Rom belügen
Zwei Kön’ge und betrügen.
Davon entstand der größte Zwist,
Der je war oder jemals ist:
Anfingen zu entzweien
Die Pfaffen sich und Laien.
Welch eine Not vor aller Not!
Es lagen Leib und Seele tot.
Die Pfaffen stritten sehr,
Doch war der Laien mehr.
Da legten sie die Schwerter nieder
Und griffen zu der Stola wieder.
Sie bannten, die sie wollten,
Und nimmer, die sie sollten.
Die Gotteshäuser sind verstört.
In einer fernen Klaus’ ich hört’
Ein lautes Weheklagen.
Den Klausner hört’ ich sagen
Und klagen seinem Gott sein Leid:
O weh, der junge Papst liegt mir im Magen,
Hilf, Herr Gott, deiner Christenheit!
    In Frankfurt hatte er gespürt, wie er seine fürstlichen Zuhörer packte; er hatte ihre Gier gegen sie selbst gewendet, aber sie genossen es, weil es ihnen auch schmeichelte. Auch hier folgten sie ihm atemlos, niemand unterbrach ihn; die Gespräche, die noch im Gange gewesen waren, als er begann, verstummten nach und nach, genau wie Markwarts Versuch, so zu tun, als spiele er die Laute. Bereits nach der ersten Strophe ließ sein alter Freund die Hand sinken und wurde zusehends bleicher.
    Bis Walther endete, herrschte ungläubige Stille. Allmählich holte ihn die Wirklichkeit wieder ein, die Wirklichkeit, die sehr leicht Teeren und Federn einschließen konnte. Aber einmal hatte er es auch vor diesem Publikum sagen wollen! Das Hoch, das ihn jedes Mal erfasste, wenn er wusste, dass ihm ein Lied nicht nur bei der Ausarbeitung gelungen war, sondern auch während des Vortrages, dieses Hoch verlieh ihm den Schwung, sich nun auch noch vor dem Erzbischof zu verbeugen. Dann schritt er auf den Ausgang des Saals zu und kam fast bis zur Tür, als Markwart hinter ihm stolperte, was den Bann brach.
    »Wie könnt Ihr es wagen!«, rief der Erzbischof. Unter den Domherren brach entrüstetes Schimpfen aus.
    »Geh weiter«, murmelte Walther und packte Markwart am Arm. Hier im Saal befanden sich keine Wächter, nur Gesinde, um Speisen auf- und abzutragen.
    »So dumm warst du nicht mehr, seit ich die Müllerssöhne deinetwegen verprügeln musste«, zischte Markwart, als sie die Schwelle überschritten. Der Erzbischof schrie noch etwas anderes, aber inzwischen zeterten die Domherren so laut, dass man nicht mehr verstehen konnte, ob Adolf nun irgendwelche Befehle gegeben hatte oder nicht.
    »Die hast du auch verprügelt, weil sie dir den Esel weggesteigert hatten«, sagte Walther und entschied, dass der Würde genug gewahrt worden war. »Und jetzt lass uns rennen!«

Kapitel 24
    P hilipp erhielt die Nachricht, dass der Papst sich für Otto entschieden hatte, zusammen mit den Forderungen Hermanns von Thüringen nach mehr Lehen für einen Wechsel zurück ins Lager der Staufer. Handelte es sich um einen Zufall, oder hatte der Mann bessere Quellen als Philipp und wusste bereits, dass den Staufern nun jeder Verbündete doppelt wertvoll sein musste?
    Heinz von Kalden nannte Hermann einen thüringischen Halsabschneider und klang dabei so, als wäre es eine Lobpreisung. »Nordhausen, Mühlhausen, Saalfeld, Orla … das macht das Kraut wirklich fett. Aber keine Sorge: Sein Schwiegersohn war der Dummkopf, der mit der bestätigten Markgrafschaft zufrieden war, und solange Hermann den am Hals hat, kann man damit rechnen, dass er selbst immer wieder eine Suppe hat, die er auslöffeln muss.«
    »Macht es dir denn gar nichts aus, dass der Stellvertreter Christi auf Erden mich zu einem Kronendieb erklärt hat, Heinz?«, fragte Philipp, für den der Reichshofmarschall mehr und mehr zu einem Freund geworden war, sosehr sie sich auch unterschieden. »Du weißt doch, was der nächste Schritt sein wird: Er wird mich bannen. Mich und alle, die mir folgen.«
    Die Aussicht darauf belastete ihn. Sein Vater war mehrfach gebannt worden; sein Bruder Heinrich war im Bann gestorben, weil er seinen Kreuzzug nicht beenden konnte. Keiner von beiden war glücklich über den Kirchenbann gewesen, doch sie hatten beide die felsenfeste Überzeugung gehabt, im Recht zu sein, und sich kaum die Mühe gemacht, die päpstlichen Begründungen bis zum Ende zu lesen. Philipp dagegen hatte den Bescheid aus Rom hinsichtlich seines Thronanspruchs nur zu genau studiert. Es lag ihm im Magen, dass die Argumente des Papstes nicht aus der Luft gegriffen waren: Er war nicht am rechten Ort und vom rechten Bischof gekrönt worden. Er hatte seinen eigenen Neffen übervorteilt. Gut, der Junge war nicht getauft,

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