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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Monate wieder empfangen werdet. Der Pfalzgraf wird dann bereits erwarten, Euch hochschwanger zu sehen. Ihr solltet ihm die schlechte Nachricht jetzt überbringen lassen.«
    »Was für eine Art von Ärztin seid Ihr denn?«, stieß die Pfalzgräfin aufgebracht hervor. »Der Bader schwört, dass er mich gleich wieder fruchtbar machen kann!«
    »Ich bin die Art Arzt, welcher keine Wunder verspricht, weil ich die Kunst an Menschen studiert habe, nicht an der Deutung von Himmelsgestirnen«, sagte Judith und versuchte, würdevoll zu klingen, doch ihre Worte kamen eher schneidend heraus. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Die Mägde der Pfalzgräfin starrten sie bestürzt an.
    »Also gut«, sagte Agnes dann. »Zumindest seid Ihr ehrlich.«
    Sie ließ sich massieren, nahm die Kräutertränke, die Judith bereitete, und war nach einigem Überreden sogar bereit, Schmerzen in ihrer Vagina einzugestehen. Judith machte ihr moschusöldurchtränkte Zäpfchen und begab sich dann in die Küche. Sie hatte Glück: Der Pfalzgraf, aufgewachsen in Aquitanien und der Normandie, hatte sich daran gewöhnt, hin und wieder Orangen und Zitronen zu genießen, und ließ sie sich nach Braunschweig bringen. Es kostete sie einige Überzeugungskraft und das Herbeirufen einer der Damen der Pfalzgräfin, ehe man ihr glaubte, dass sie die kostbare Zitrone für Agnes haben wollte. Danach brauchte sie einige Zeit, um das Fruchtfleisch zu entfernen und die Schalen so auszupressen und zurechtzuschneiden, wie sie es in Salerno gelernt hatte.
    »Ihr wollt …« Die Pfalzgräfin lief rot an, genau wie sie es bei den Zäpfchen getan hatte.
    »Es wird Euren Muttermund stärken«, sagte Judith. »Schließlich wollt Ihr so bald als möglich wieder gesund werden, nicht wahr?« Es würde auch mit großer Gewissheit verhindern, dass sie sofort wieder schwanger wurde, jetzt, wo der Pfalzgraf wieder in Braunschweig war und erfahren musste, dass er doch nicht zum zweiten Mal Vater werden würde. Judith hatte kein schlechtes Gewissen dabei, diesen Teil der Wahrheit nicht auszusprechen. Ihrer Meinung nach, das hatten die Untersuchungen bestätigt, würde Agnes nur mit sehr viel Glück eine weitere Geburt überleben; man sollte ihrem Körper wirklich Zeit geben, um sich zu erholen. Nachdem sie Agnes den Zitronenschalenring eingesetzt hatte, musste sie ihr versprechen, dem Pfalzgrafen die schlechte Nachricht von der Fehlgeburt selbst zu überbringen.
    Judiths erster Eindruck war Erleichterung, weil der Pfalzgraf Heinrich seinem Bruder kaum glich. Er hatte braune Haare und war nur mittelgroß; anders als Otto war ihm nicht anzuhören, dass er seine Kindheit und Jugend nicht an deutschsprachigen Höfen verbracht hatte. Nachdem sie ihm vorgestellt worden war, fragte er sie sofort, ob sie diejenige sei, die seinen Sohn von seinem Ausschlag geheilt habe. Es lag ihr auf der Zunge, ja zu sagen, aber gemessen an dem Verhalten seiner Gattin, würde er Unter- mehr als Übertreibung schätzen, also beschloss sie, ehrlich zu bleiben, solange es ging.
    »Es waren nur Pickel, keine Krankheit, und Eurer Gemahlin und der Amme Eures Sohns gebührt das Verdienst, auf meine Empfehlung geachtet zu haben.«
    »Aber er ist noch nicht aus dem Alter hinaus, in dem Kinder sterben wie die Fliegen.« Heinrichs Stimme klang rauh.
    »Das liegt in Gottes Händen«, sagte Judith sachlich.
    »Nun, Gott will nicht, dass ich ohne Erben bleibe. Ich bin das Oberhaupt meines Hauses. Wann wird meine Gemahlin wieder gesund sein?«
    Auf widersinnige Weise war Judith ihm dankbar, weil er ihr durch sein Verhalten die Möglichkeit gab, Abneigung gegen ihn zu empfinden; es half ihr bei ihren wachsenden Zweifeln.
    »Verzeiht, doch Eure Gemahlin scheint zu glauben, dass Ihr sofort ein weiteres Kind wünscht. Ich habe ihr natürlich versichert, dass ein großer Herr wie Ihr, der Sohn Heinrichs des Löwen, der Enkel Alienor von Aquitaniens, seine edle Gattin mit doppelt so viel Zartsinn behandelt, wie dies ein einfacher Bürger täte, nachdem sie einen so traurigen Verlust erlitten hat.«
    Seine Stirn verdunkelte sich. Ihr fiel ein, dass die Christen an Enthaltsamkeit als Bußübung glaubten. »Auch war sie nicht sicher, dass Ihr nun beten und fasten würdet, aber es war mir eine Freude, ihr zu versichern, dass Ihr – ein Kreuzritter und Neffe eines Kreuzritters – strenger als ein Mönch leben könntet, wenn es dem Seelenheil Eurer Gemahlin und Eures toten Kindes zugutekommt.«
    Heinrich starrte sie an; Judith riss

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