Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
nirgendwo erblicken können, als sie Irenes Gemach betrat, doch hütete sie sich trotzdem davor, ihre ehemalige Magd als Walthers Quelle zu nennen.
    »Das hat er mir nicht erzählt, Euer Gnaden. Aber er ist gut darin, Dinge herauszufinden.«
    »Wenn der Pfalzgraf sich von Euch für unsere Sache hat überzeugen lassen«, sagte Irene und bewies einmal mehr, dass sie alles andere als dumm war, indem sie sofort ihren Finger auf die Schwachstelle in Judiths Darstellung legte, »warum habt Ihr dann Walthers Hilfe gebraucht?«
    Wenn Judith Irenes Schutz für Walther haben und verhindern wollte, dass Botho oder ein anderer der Leute des Bischofs, die in Braunschweig gewesen waren, später diese Anschuldigung aufbrachten, hatte sie keine andere Wahl, als Irene die Wahrheit über Gilles zu sagen. Nun, einen Teil der Wahrheit. Sie erinnerte sich, was Walther den Leuten des Kanzlers über den Grund der Flucht aus Braunschweig erzählt hatte, und formulierte ihre Aussage so, dass nichts an ihren Worten Walthers Geschichte widersprach.
    »Man hat meinen Gemahl beschuldigt, sich mit einem anderen Mann vergnügt zu haben, und hätte ihn wohl hingerichtet. Dem Pfalzgrafen war die Angelegenheit peinlich, wegen irgendwelcher alten Gerüchte aus Aquitanien. Er konnte deshalb nicht offiziell einschreiten. Er wollte, dass wir beide vom Erdboden verschwanden, irgendwie. Das verhinderte Walther.«
    Irene machte ein bestürztes Gesicht, nahm Judiths Hand und murmelte: »Als man mich nach Sizilien schickte, um vermählt zu werden, sagte mir meine Mutter, es sei weit besser für uns Frauen, wenn unsere Gatten die Ehe mit anderen Männern brächen. Zumindest hat man von diesen keine Bastarde zu erwarten, sie werden auch nie den Ehrgeiz besitzen, selbst die Gemahlin unserer Ehemänner werden zu wollen, und uns deswegen vergiften. Dennoch, es ist wohl nicht leicht, wenn einem so etwas zum ersten Mal geschieht.«
    Offenbar waren in Byzanz die Sitten anders als im Reich. Gerade hier und jetzt war Judith erleichtert darüber.
    »Euer Gnaden, um die Wahrheit zu sagen, haben Gilles und ich immer wie Bruder und Schwester zusammengelebt, in beiderseitigem Einvernehmen.«
    Kopfschüttelnd meinte Irene: »Magistra, Ihr hättet bei mir bleiben sollen. Ich hätte einen besseren Gatten für Euch gefunden, wenn Ihr denn unbedingt heiraten wolltet.« Es war eine Spur dringlicher gesagt, als es reine Höflichkeit verlangt hätte. Judith fragte sich, ob ihr Irene den plötzlichen Abschied in Nürnberg doch noch nachtrug. Daher schluckte sie ihre erste Antwort hinunter, die daran erinnert hätte, dass sie nicht eines Gatten wegen gegangen war, und versuchte stattdessen, das Gespräch wieder auf den Grund ihres Hierseins zu lenken.
    »Es ist nun einmal gekommen, wie es gekommen ist. Ich verspüre große Zuneigung für Gilles. Doch leider sind nicht alle Menschen so verständnisvoll wie Euer Gnaden. Walther, Gilles und ich reisten mit ein paar Leuten des Kanzlers nach Franken, und ihr Anführer hat uns alle drei wiederholt bedroht. Da es sich bei ihm um einen Neffen des Reichshofmarschalls handelt, ist er fest davon überzeugt, tun zu können, was er will.«
    Die Königin ließ Judiths Hand los. »Ein Neffe des Reichshofmarschalls?«, wiederholte sie in einem undeutbaren Tonfall.
    Bitte, dachte Judith. Bitte lass nicht all die Befürchtungen wahr sein. Es war weniger Angst um ihre Sicherheit, die sie plagte, sondern die Furcht, dass Irene sich als so erwies, wie es Stefan von allen Staufern und Walther von allen Fürsten glaubte. Wenn Irene, und mit ihr Philipp, nicht besser als Otto waren, dann waren Judiths Bemühungen bisher kleine Räder gewesen, die eine mörderische große Mühle aus Blut im Gang hielten, weil es keine gute Sache gab, für die man streiten, auf deren Sieg man hoffen konnte. Bitte!
    »Ein Dienstmann namens Botho, Euer Gnaden. Er hat gedroht, dass seine Männer mir oder meinem Gatten Gewalt antäten. Und er hat mich mit dem Tod bedroht, falls ich nicht für ihn den Spitzel beim Bischof von Würzburg spiele.«
    Die dunklen Augen der jungen Königin weiteten sich. Dann sagte Irene abrupt: »Ich werde mit dem Reichshofmarschall sprechen. Es kann nicht angehen, dass meine treuen Diener bedroht werden.« Noch ehe Judith die Gelegenheit hatte, erleichtert auszuatmen, fügte Irene hinzu: »Deswegen ist es ein Glück, dass Ihr mich nicht wieder verlassen werdet, Magistra, es sei denn, dass ich es wünsche.« Es war nicht laut gesprochen, nicht

Weitere Kostenlose Bücher