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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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mussten sogar noch zu anderen Mitteln greifen, denn reuig ist er nicht.«
    Auf Hugos Wangen brannten rote Flecken. Er holte tief Luft, wohl, um über den ungeheuerlichen Betrug von Seiten des Schreibers zu brüllen und darüber, dass der Frauenwirt mit Folgen zu rechnen habe, doch Judith kam ihm zuvor.
    »Der erhabene Patriarch von Aquileja und ehemaliger Bischof von Passau ist willens, dem armen Sünder zu verzeihen. Herr Hugo ist der Befehlshaber seiner Wachen und hier, um den Schuldknecht auszulösen.«
    Die Wahrheit war längst nicht so wichtig, wie Walther sofort zu befreien, und auf die Gier nach Geld war immer Verlass. Als miserable Arbeitskraft am Webstuhl, und das musste er sein, konnte Walther für dieses Haus nicht so wertvoll sein wie eine feste Summe. Diese holte Hugo, als sie ihm hastig auf Deutsch darum bat, zähneknirschend hervor. Der Frauenwirt zögerte auch nicht und verschwand, um ihnen »den unreuigen Sünder« zu bringen.
    Einen Herzschlag lang erfasste Judith entsetzliche Angst, den falschen Mann ausgelöst zu haben, so blut- und dreckverkrustet war er; außerdem humpelte er. Fußknöchel wie Handgelenke waren grotesk geschwollen. Aber dann sah sie seine Augen unter dem strähnigen Haar, und der Schutzwall, den sie um ihr eigenes Herz gebaut hatte, zerbarst. Sie hörte jemanden laut aufschluchzen, obwohl weder Walther noch Hugo noch der Frauenwirt den Mund bewegten, und erst, als etwas Warmes, Feuchtes über ihre Wangen lief, begriff sie, dass sie es gewesen sein musste.
    Walther stolperte auf sie zu, schloss sie in seine Arme und vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken.
    »Ich habe einen Hund getötet«, stieß sie zwischen zwei Tränenschüben hervor, weil es leichter war, als von ihren entsetzlichen Sorgen um ihn zu sprechen, darüber, dass sie nie, niemals hinnehmen würde, dass er tot sein könnte, und bis ans Ende der Welt gehen würde, um das Gegenteil zu beweisen und ihn wiederzufinden.
    »Meine Heldin«, flüsterte Walther rauh, doch mit einem unverkennbar neckenden Unterton, und an der Art, wie seine verkrusteten Lippen sich auf der Haut ihres Nackens bewegten, spürte sie, dass er lächelte. Erst da wusste sie, dass er noch immer er selbst war, gegen jede Wahrscheinlichkeit am Leben und ihr zurückgegeben.
    * * *
    »Nun, ich kann verstehen, dass Ihr Rom so schnell wie möglich verlassen wollt, Herr Walther«, sagte Wolfger, »aber ich hoffe darauf, Euch bald auch in Aquileja zu sehen.«
    Walther wollte nirgendwohin reisen und wünschte sich nichts mehr, als die nächsten zwei Jahre im Bett zu verbringen. Aber er wusste, dass das Gefühl verfliegen würde. Er hoffte wenigstens darauf.
    Judith hatte ihn gewaschen und mit allen heilenden Ölen gesalbt, die sie auftreiben konnte, aber sie vermochte nichts gegen die Erinnerungen in seinem Kopf auszurichten, den ohnmächtigen Zorn und das Gefühl der Hilflosigkeit, das jedes Mal zurückkehrte, wenn er vergaß, dass er sich nicht mehr im Gynaeceum befand. Jetzt wusste er, wie sich Gilles gefühlt haben musste, als er ihn in Braunschweig aus dem Kerker holte.
    Wenn er und Judith Rom erst hinter sich gelassen hatten und unter offenem Himmel ritten, würde es besser werden. Es musste so sein.
    »Es gibt etwas, das mich immer noch neugierig macht, Euer Gnaden«, erwiderte er, ohne auf Wolfgers Feststellung einzugehen, die gleichzeitig eine Frage gewesen war.
    »Nun, der Schreiber ist natürlich aus meinen Diensten entlassen, doch da er ein Geistlicher ist, kann er nicht der weltlichen Gerichtsbarkeit überstellt werden. Ich darf Euch jedoch versichern, dass der Dienst in einem Hospital für Aussätzige, den er jetzt ausübt, kein beneidenswertes Schicksal darstellt.«
    »Das höre ich gerne, Euer Gnaden, aber das hatte ich nicht gemeint.«
    Wolfger hob eine Augenbraue. »Dann lasst mich nicht länger warten und erleuchtet mich, mein Sohn.«
    »Der Heilige Vater kann es Kreuzfahrern nicht gestatten, ihr Schwert gegen Mitchristen zu erheben, nicht wahr? Sofern sie nicht mit Heiden paktieren oder unter dem Bann stehen, und die Byzantiner sind zwar Schismatiker, aber sie sind nicht gebannt.«
    Der Bischof seufzte. »Er kann es nicht billigen, aber er hätte es nach vollzogener Tat verzeihen können, bei einem vollen Erfolg und bei Einhaltung des wichtigsten Versprechens. Doch ich fürchte, der höchst edle Alexios ist nicht der Mann, um das Schisma zu überwinden. Auf der Reise bereitete es mir keine Schwierigkeiten, ihn einzuschüchtern, was

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