Das Spiel der Nachtigall
gar nichts bereute, weder den törichten alten Konrad noch die Einkerkerung des Minnesängers im Spinnhaus, die ein Heidenspaß für ihn gewesen war.
Für den Ort, an dem er sein unerschütterliches Heldentum beweisen wollte, hatte er sich den Petersplatz erbeten statt der üblichen Stätte, vorgeblich, weil es immerhin um den Tod eines Bischofs ging. Er war ihm gewährt worden. Dementsprechend groß war die Zuschauermenge.
Botho entledigte sich seines Obergewandes, dann seines Hemdes, wölbte die Brust und stieg würdig auf das Podest, ehe er niederkniete und eine so überlegene Miene wie nur möglich aufsetzte.
Als der erste Schlag auf ihn niederging, krümmte er sich entsetzt, während Feuer über seinen Rücken und durch die aufgeplatzte Haut in sein Fleisch schoss. Beim zweiten schrie er schon, ein wütendes Brüllen. Beim dritten wollte er sich umdrehen und dem Mann, der ihn auspeitschte, an die Gurgel gehen, aber die beiden Knechte, die bisher nur links und rechts von ihm gestanden hatten, hielten nun seine Arme fest, während sein Peiniger unbeirrt weiter zuschlug.
Das Schlimmste war die Menschenmenge vor ihm, die zuerst verdutzt geschaut hatte, dann schadenfroh und schließlich lauthals lachte, denn die Schläge an sich waren zwar fest, aber keineswegs heftig; mit Dienstboten sprang man gelegentlich härter um. Aber jedes Mal, wenn die Riemen der Geißel auf Bothos bloßen Rücken trafen, war ihm, als bestünden sie und ihre kleinen Kugeln aus lodernden Flammen. Es tat so entsetzlich weh, dass er zu schluchzen begann wie ein Kind.
Botho schrie, dass man ihm unrecht täte, doch zurück schallte nur johlendes Gelächter und Zischen von feixenden Gesichtern. Nur ein Paar ganz am Rand des Platzes stand sehr ruhig und ohne sich zu rühren dort, ein Mann und eine Frau. Durch seinen Tränenschleier konnte Botho zunächst nur ihre Umrisse ausmachen. Dann hob die Frau etwas, eines jener kleinen Tonfläschchen, wie es die Ärzte verwendeten, und starrte direkt zu ihm herüber. Mit einem Mal begriff Botho. Dort standen die verdammte Magistra und der Sänger! Dem verfluchten Weib musste es irgendwie gelungen sein, die Lederriemen, mit denen er geschlagen wurde, durch ein teuflisches Gebräu zu tränken; flüssigen Pfeffer, wenn es so etwas überhaupt gab, denn so fühlte es sich an.
Sein Wutgeheul schallte über den Platz, während die beiden Gestalten sich umdrehten und fortgingen, als kümmere es sie nicht länger, was mit ihm geschah, als sei er so unbedeutend, dass sie noch nicht einmal das Ende seiner Strafe miterleben mussten, und das war vielleicht das Schlimmste von allem.
VI. Fall
1207–1208
Kapitel 36
D ie Strecke von Köln nach Speyer war weder weit noch unbequem, wenn man per Schiff reiste, wie es die Delegation der Stadt Köln tat, der Paul und sein Vater angehörten. Trotzdem kam ihm die Reise dieses Mal endlos vor. Er ertappte sich mehrfach dabei, sein Lederwams an- und wieder abzulegen. Niemand erwartete Verrat und einen Angriff, wenn sie in Speyer an Land gingen; dazu waren die Verhandlungen zu wichtig. Aber man konnte eben nie wissen.
»Wird der … wird Adolf von Altena auch dort sein?«, fragte er seinen Vater, während sie an der Reling des Schiffes standen und die Weinberge betrachteten, die sich zu beiden Seiten des Rheins hinzogen; der Wein, der ihr Blut darstellte, der Puls des Lebens, der ihre Familie und die Stadt Köln reich gemacht hatte.
»Nicht, wenn er weiß, was gut für ihn ist. Wenn er seinen Verstand beisammenhat, dann ist er bereits nach Rom aufgebrochen.«
Adolf von Altena war nicht länger Bischof Adolf, jedenfalls nicht, soweit es die Kölner betraf: Er hatte die Seiten gewechselt und war zu Philipp übergelaufen. Er hatte ihn sogar in Aachen gekrönt, so dass der Schwabe nun von sich behaupten konnte, nicht nur mit den wahren Kroninsignien, sondern auch am rechten Ort vom rechten Mann zum König der Deutschen erklärt worden zu sein. In Köln gab es viele schlechte Witze über die Summe, die Philipp das gekostet haben musste. Pauls Vater war der Ansicht, dass es nicht nur Adolfs Schulden waren, die ihn zu so einem ungeheuerlichen Schritt veranlasst hatten, sondern vor allem, dass König Otto längst aufgehört hatte, auch nur so zu tun, als sei ihm der Erzbischof von Köln für irgendetwas wichtig, und sei es nur das Morgengebet. Stattdessen hatte Otto, wenn er etwas von Köln brauchte, direkt mit den Stadtvätern und den Kaufleuten verhandelt. Das mochte auch daran
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