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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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wird im nächsten Sommer mit einer Stauferin vermählt werden, eine von Philipps Nichten. Oder handelt es sich um seine Tochter?«
    »Nein, eine Tochter ist es nicht«, entgegnete Berthold mit einem gezwungen wirkenden Lächeln, was bedeutete, dass seine Familie wohl auf eine von ihnen gehofft hatte. Nichten gab es sowohl durch Philipps tote Brüder als auch wegen einer nach Burgund verheirateten Schwester, aber das spielte keine Rolle für Walther. Wenn die Andechs-Meranier in die Familie der Hohenstaufer einheirateten, legten sie gewiss keinen Wert auf einen Sänger, der gerade so gut wie von Philipps Hof verbannt worden war. Dass Walther nicht mehr zu seinen Anhängern zählte, musste sich schon herumgesprochen haben, wie Hermanns Worte zeigten. Der Landgraf selbst hatte nie auf einer anderen Seite gestanden als derjenigen, die ihm gerade mehr Einkünfte zuschanzte, und glühte nur für sich, nicht für Welfen oder Staufer. Das war auch der Grund, warum Walther nach Thüringen gegangen war; deswegen wunderte ihn Hermanns leicht höhnischer Ton. Es fragte sich nur, wem der Spott gerade galt: ihm oder dem geistlichen Grafen? Er beschloss, ein wenig vorzupreschen, wenn es sich lohnte. Was hatte er schon zu verlieren?
    »An Eurer Stelle würde ich die Hochzeit so rasch wie möglich stattfinden lassen, Euer Gnaden«, sagte er zu Berthold. »Herr Philipp ist nicht eben dafür berühmt, dass er Versprechungen hält, schon gar nicht, was Nichten und Neffen betrifft. Fragt dazu den jungen Friedrich auf Sizilien!«
    Das kurze Schweigen wurde von dem Gegröle und Geschwätz am anderen Tischende übertönt, wo Hermanns Ritter und Dienstleute saßen. Walther hatte nicht übertrieben, als er seinem neuen Knappen von dem ständigen Lärm auf der Wartburg erzählte.
    »Wohl gesprochen«, sagte Hermann schließlich. Er lachte nicht, und der Stimme fehlte auch die übertriebene Verwunderung; stattdessen klang er sehr, sehr zufrieden. »Habe ich Euch nicht das Gleiche gesagt, Herr Berthold?«
    Berthold von Andechs rückte unbehaglich an seinem Kragen.
    »König Philipp hat sich an die einjährige Waffenruhe des Papstes gehalten. Er hat dem Pfalzgrafen von Braunschweig überlassen, was er diesem versprach. Er hat den neuen Bischof von Köln seinem Bistum zurückgegeben. Und mein Bruder Eckbert ist nun vom Papst als Erzbischof von Bamberg bestätigt, ganz, wie es versprochen wurde. Mir scheint Herr Philipp sehr wohl ein Mann seines Wortes zu sein, und ich sehe keinen Grund, das lose Geschwätz eines undankbaren fahrenden Sängers dagegenzuhalten.«
    Hermanns Augen glitzerten, aber er schwieg. Walther hatte inzwischen zu viel Erfahrung mit hohen Herren, um nicht zu wissen, dass er gerade auf seinem Prüfstein stand, nicht auf Bertholds.
    »Euer Gnaden, wenn man eine Hochzeit ausrichtet, dann hört man gewiss die schönsten Geschichten von den Verwandten der Braut. Aber wenn man wissen möchte, wie es hinterher um die Bezahlung der Feier aussieht, dann sollte man sich am besten nicht an die Familie wenden, sondern an den Schneider, der dem Brautvater für gewöhnlich die Festroben liefert, ohne die er nackt wäre. Wenigstens ist das bei einfachen Leuten so. Als fahrender Sänger weiß ich natürlich nicht, wie es in dieser Hinsicht bei wahrhaft edlen Familien zugeht.«
    Berthold von Andechs entgegnete nichts. Stattdessen starrte er auf einmal mit höchster Konzentration auf das Schachbrett, das zwischen ihm und Hermann stand, obwohl sich noch alle Figuren in ihrer ursprünglichen Position befanden und keiner von beiden Anstalten gemacht hatte, ein Spiel zu beginnen, ehe Walther eintrat. Seine Wangenmuskeln zuckten, als schluckte er mehrmals.
    »Es ist gut, Herr Walther«, sagte Hermann und schnurrte beinahe wie eine Katze. »Ihr könnt gehen. Und bleiben, versteht sich. Ich hoffe doch, dass Ihr uns wenigstens bis über die Weihnachtsfeiertage die Ehre gebt? Meine ganze Familie wird bei mir sein, meine lieben Kinder, groß und klein. Da will man als Vater einfach etwas für Unterhaltung sorgen.«
    * * *
    Es war Beatrix, die Judith als Erste und Einzige fragte, wann denn Herr Walther wiederkäme. Sie war alt genug, um zu verstehen, welcher Art die Beziehung zwischen der Magistra und dem Sänger gewesen war, und sie dachte, wenn jemand Bescheid wisse, dann gewiss die Ärztin. Beatrix liebte Gesang und Geschichten und hatte bereits begonnen, selbst Lieder zu verfassen, obwohl sie bisher über vier oder fünf Zeilen nicht hinauskam und

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