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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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besser darin war, nach anderer Leute Melodien auf Laute und Harfe zu spielen. Also genoss es Beatrix immer sehr, wenn Sänger wie Herr Walther an den Hof ihres Vaters kamen, und sie plante heimlich, allen Mut zusammenzunehmen, um ihm ihre Lieder vorzuspielen, mit denen sie zufrieden war. Aber dann verschwand er von einem Tag auf den anderen. Niemand schien zu wissen, wann er wiederkommen werde. Dafür wurden die Lektionen in Sprachen, höfischem Benehmen und der Kunst, einem großen Haushalt vorzustehen, verdoppelt, was bedeutete, dass es ernsthafte Heiratsverhandlungen für sie gab. Das sollte sie mehr kümmern als die plötzliche Abwesenheit eines Sängers, das wusste Beatrix. Doch es war nun einmal so, dass sie keinen der Männer kannte, von denen man tuschelte, also zog sie es vor, nicht weiter über eine Heirat nachzudenken, die am Ende vielleicht doch nicht zustande kommen würde. Das lag alles in der Zukunft und war noch nicht wirklich.
    Stattdessen fragte sie die Magistra, ob man denn mit Herrn Walther zu Weihnachten wieder würde rechnen können.
    »Nein«, entgegnete diese knapp. Das Wiederauftauchen ihres Gemahls, des Krüppels, hatte sie zu einer einsilbigeren, manchmal unfreundlicheren Person gemacht, entschied Beatrix. Das gefiel ihr nicht. Sie mochte die Magistra so, wie sie früher gewesen war.
    Kunigunde meinte, dass die Magistra Walther ihres Gemahls wegen weggeschickt haben könnte, doch Kunigunde war ein albernes kleines Mädchen, nicht eine bald erwachsene Frau wie Beatrix, die nicht verstand, was es mit den Regeln der Minne und Courtoisie auf sich hatte. »Ein Troubadour oder Sänger«, belehrte Beatrix ihre kleine Schwester, »minnt immer eine Dame, die anderweitig gebunden ist. Das ist die Regel. Sonst hätte er ja nichts, worüber er dichten könnte. Aber er weicht auch nicht von ihrer Seite, wenn es sich vermeiden lässt.«
    »Wenn du erst verheiratet bist, wirst du dann auch einen Sänger haben, der dich minnt?«, fragte Kunigunde.
    »Ich werde eine große Dame sein, eine Herzogin mindestens«, erklärte Beatrix, »und alle Herren an meinem Hof werden mir zu Füßen liegen. Also mindestens drei Sänger.« Was sie Kunigunde nicht verriet, gehörte zu ihren bestgehütetsten Geheimnissen: Sie wusste, dass Herr Walther auch über die erwiderte Liebe sang, und wenn die Magistra ihn nicht mehr wollte, dann würde sie ihn an ihren eigenen Hof bitten. Wenn ihr Gatte eine Enttäuschung sein sollte, dann würde sie Herrn Walther zu ihrem Ritter machen. Dabei wäre es allerdings wirklich hilfreich, ihn erst als Lehrer zu gewinnen und damit zu beeindrucken, wie gut auch sie Lieder dichten konnte. Das war unmöglich, wenn er nicht an den Hof zurückkehrte!
    Sie fand erneut einen Grund, die Magistra aufzusuchen. »Man sagt, Ihr wüsstet Mittel, um die Haut heller und die Lippen röter zu machen«, begann Beatrix und dachte bei sich, dass man es der Magistra nicht ansah. Es war spät im Herbst, und trotzdem hatte sie Sommersprossen im Gesicht und Bräune, weil sie viel mehr Zeit als nötig im Freien verbrachte. Dafür waren ihre Lippen sehr bleich.
    »Die brauchst du jetzt noch nicht«, gab die Magistra zurück; dabei wirkte sie zum ersten Mal seit geraumer Zeit nicht kurz angebunden, sondern belustigt. »Deine Lippen sind rot genug, und glaub mir, Mittel für deine Haut wirst du noch reichlich von mir bekommen, wenn du erst zu bluten anfängst. Bis dahin kannst du es genießen, noch keine nötig zu haben.«
    Eigentlich sollte die Magistra sie nicht mehr wie ein Kind ansprechen, aber Beatrix wollte nicht darauf beharren, Euer Gnaden genannt zu werden, nicht jetzt, wo sie Wichtigeres hatte, über das sie reden wollte. »Ich hatte gedacht, Ihr würdet mir sagen, dass es für mich nicht wichtig sein sollte, schön zu sein, weil es darauf bei meiner Ehe ohnehin nicht ankommt.«
    »Es kommt für dich darauf an, zufrieden mit dir zu sein«, entgegnete die Magistra. »Du wirst schon noch herausfinden, ob du glücklicher mit heller oder dunkler Haut bist.«
    Beatrix runzelte die Stirn. Sie hatte die olivfarbene Haut ihrer Mutter geerbt, wie sie manche Leute aus dem Süden besaßen. Deswegen ging sie im Sommer nicht mehr so häufig hinaus wie früher, denn sie wurde sehr schnell sehr braun, und sie wusste, dass die Dichter nur helle Haut in ihren Liedern priesen.
    »Schönheit ist oft liebeleer«, zitierte sie, denn deswegen war sie eigentlich gekommen; ihre Frage war nur ein Vorwand gewesen. »Liebe freut das

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