Das Spiel der Nachtigall
gesagt?«
»Meine Mutter hat einen edlen jungen Fürsten geheiratet, einen König. Ich wünschte, das könnte ich auch tun«, sagte Beatrix.
»Dein Vater war ein Herzog, als deine Eltern heirateten, und noch weit vom Thron entfernt.«
»Aber er war edel und jung«, beharrte Beatrix. »Eine Zeitlang dachte ich, es würde vielleicht der Älteste der Andechs-Meranier als möglicher Herzog für Bayern«, fuhr sie fort, »weil gar so viele Gesandte mit dem Wappen derer von Andechs eintrafen, aber letzte Woche habe ich gehört, dass meine Base mit ihm verheiratet wird. Der älteste Sohn des Landgrafen von Thüringen, der wäre fast in meinem Alter, aber mein Vater sagt, der Mann habe einen Rachen, der nicht satt werden will und den man nicht mehr stopfen dürfe, sonst würde er das ganze Reich verschlingen. Das klingt nicht so, als ob er mich mit seinem Sohn verheiraten will. Im Übrigen habe ich gehört, dass der eine ungarische Königstochter bekommt, obwohl sie noch ein Säugling ist.«
»Nun, an deiner Stelle wäre ich froh, denn sonst müsstest du nach Thüringen gehen. Wie es heißt, besteht Landgraf Hermann darauf, dass die kleine Ungarin sofort zu ihm gebracht wird. Das würde er bei dir auch verlangen.«
»Ich bin nicht dumm«, sagte Beatrix. »Ich weiß, dass ich nicht mehr lange bei meinen Eltern bleiben werde. Das gehört sich so. Aber Ihr könntet wenigstes mit mir üben, wie ich mir die Lippen röten und die Wangen bleichen kann, bis das geschieht. Außerdem hätte ich gerne blonde Haare statt schwarzer, aber ich glaube, das ist hoffnungslos. Ihr schaut doch mehr wie eine Stauferin aus als ich, mit Eurem roten Haar.«
»Über das Lippenrot lässt sich reden«, gab die Magistra nach. »Aber deine Haut ist gut so, wie sie ist.«
Das war ein unerwarteter Triumph, und Beatrix entschloss sich, die Gunst der Stunde und die offenbar nun weichere Stimmung der Magistra zu nutzen. »Wir werden nach Bamberg gehen nächstes Jahr, um die Hochzeit meiner Base dort zu feiern«, sagte sie. »Bis dahin werden sie wohl auch für mich die Heiratsverhandlungen vorangetrieben haben. Könnt Ihr meine Mutter bitten, dass sie mir meinen Bräutigam dort vorstellt, damit ich ihn nicht erst bei meiner eigenen Hochzeit sehe?«
»Bitten kann ich, aber ob die Bitte erhört wird, steht in den Sternen.«
Beatrix konnte es nicht lassen. »Frau Glück verteilet rings um mich, doch mir kehret sie den Rücken zu, doch will sie nicht erbarmen sich; was muss ich tun dazu?«
Das war aus einem ganz neuen Lied Herrn Walthers, das ihr neulich erst ein Spielmann gesungen hatte, und wenn die Magistra es erkannte, bewies es, dass sie insgeheim doch noch auf eine Versöhnung hoffte. Wenn ihr die Verse dagegen unbekannt waren, schien Hopfen und Malz verloren.
»An deiner Stelle würde ich mich nicht als unglücklich bezeichnen«, entgegnete die Magistra und wählte eine dritte Möglichkeit, an die Beatrix nicht gedacht hatte, nämlich die, das Zitat wörtlich und als ihre eigene Aussage zu nehmen. »Sonst endest du noch in einer Ehe mit einem neunzigjährigen Greis.«
»Der Vater will mich doch nicht mit dem Zähringer verheiraten?«, rief Beatrix bestürzt. Die Magistra lachte.
»Der ist keine neunzig, sondern höchstens fünfzig, und ich glaube nicht, dass er um dich angehalten hat.«
Beatrix verabschiedete sich und stöberte den obersten Schreiber auf, von dem sie verlangte, ihr alle neunzigjährigen Edelleute zu nennen. Zwar glaubte sie nicht, dass die Magistra anders als im Scherz gesprochen hatte, doch man konnte nie wissen. Erst, als der Mann ihr die beruhigende Auskunft erteilte, dass ihm keine noch lebenden neunzigjährigen deutschen Edelleute bekannt seien, wurde Beatrix bewusst, dass sie die Magistra wieder verlassen hatte, ohne die Bitte loszuwerden, sie möge doch nach Herrn Walther senden, damit er zu Weihnachten oder doch wenigstens im nächsten Jahr nach Bamberg käme. Und nun wusste sie nicht, ob sie den Mut dazu aufbrachte, sie erneut auszusprechen, denn was die Magistra über Walther und die Liebe gesagt hatte, machte ihr zu schaffen. Also war es besser, nicht darüber nachzudenken, beschloss Beatrix.
* * *
Es ist gut, dass genügend Holz und Kohlen in die Burg gebracht worden sind, dachte Dietrich von Meißen. Er wurde nicht jünger; allmählich spürte er die Kälte des Winters in seinen Knochen. In diesem Jahr war er versucht gewesen, die Weihnachtsfeiertage in einer seiner eigenen Residenzen zu verbringen. Was gab es
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