Das Spiel der Nachtigall
betraf, aber er schätzte Sänger, egal was sie sangen; Wolfram von Eschenbach, der Glückspilz, hatte sogar einen festen Platz an seinem Hof. Trotzdem hatte der Landgraf Walther immer willkommen geheißen, ganz gleich, auf wessen Seite Hermann gerade stand.
Andererseits war der Landgraf auch jemand, der seine Erwartungen hatte, und zu diesen gehörte nicht nur, gepriesen zu werden. Bei Walthers Ankunft hatte er im jungen Berthold von Andechs Zweifel an Philipp wecken wollen, so viel war offensichtlich, und da er selbst in alles anderer als guter Stimmung bezüglich Philipps gewesen war, hatte Walther mitgespielt. Nun, da er Anstalten machte, wieder zu gehen, fragte Hermann beiläufig: »Wisst Ihr schon, welchen Hof Ihr als Nächstes aufsuchen werdet, Herr Walther?«
Einen, wo mir kein Dummkopf von Ritter das Pferd absticht, dachte Walther. Das war das Ärgernis, das ihn neben der stetig wachsenden Ruhelosigkeit auch veranlasste, den thüringischen Gefilden fürs erste Lebewohl zu sagen: Nicht nur, dass Hermanns Leute zechten und lärmten, während er vortrug, nein, sie versuchten, in angetrunkenem Zustand auch noch zu reiten, und fuchtelten dabei mit ihrem Schwert in die Richtung von harmlosen Sängern, nur, weil dieser so etwas wie »beiß zu, Hildegunde« gemurmelt hatte. Da er nicht mehr mit Pferden aus staufischen Ställen rechnen konnte, war Walther nach dem Tod seines Pferdes deswegen vor Gericht gegangen, was letztendlich auf einen Streit in Eisenach hinauslief, den der Landgraf durch eine salomonische Lösung schlichtete. Herr Atze hatte sein eigenes Ross zur Verfügung zu stellen, was bedeutete, dass Walther nun mit einem sturen Rittergaul verflucht war, der noch nicht einmal einen Namen trug.
Es war nicht seine ursprüngliche Hildegunde gewesen, die ihr Leben durch das Schwert eines betrunkenen Ritters hatte lassen müssen. Die war längst verstorben, aber Walther hatte alle seine Pferde nach ihr benannt und gelegentlich zu Ausfällen gegen unaufmerksame Zuhörer ermutigt. Herrn Atzes Gaul hatte Hildegundes Namen nicht verdient, also nannte er ihn Hagen, des tückischen Blicks und der schwarzen Farbe wegen.
»Könnt Ihr mir denn ein Ziel anempfehlen, Euer Gnaden?«, fragte er, denn er wusste, dass ihn Hermann nicht aus Höflichkeit gefragt hatte.
»Habt Ihr schon am Hof des edlen Hans von Brabant gesungen? Zwischen uns bestehen alte Bande. Auch er war in seiner Jugend eine Weile … zu Gast am französischen Hof. Ich könnte Euch ein Empfehlungsschreiben mitgeben.«
Von Eisenach nach Brüssel war es ein sehr weiter Weg; es gab ein Dutzend Fürstenhöfe, die als Ziel näher gelegen hätten. »Es wäre möglich, dass mich mein Weg dorthin führt«, entgegnete er zurückhaltend, um Hermann Bestimmteres zu entlocken.
»Ach, Herr Walther, Ihr wisst ja, wie das mit den Empfehlungsschreiben so ist: Wenn man sie zu lange in der Satteltasche ruhen lässt, dann sind die Dinge, die ein Gönner so an einem Sänger schätzt, vielleicht nicht mehr wahr, bis dieser Sänger eintrifft.«
»Weiß ich denn, welches Lied Ihr im Sommer hören wollt?«, fragte Walther.
»Nun, es könnte nicht schaden, wenn Ihr dem Herzog von Brabant das Lied von der Freigiebigkeit singt, wider Euch und andere«, meinte Hermann leichthin, »und natürlich würde ich mich freuen, wenn Ihr in der Ferne meiner gedenkt und Gutes über meinen Hof singt. Aber am dringendsten, so scheint mir, müsste der edle Herr Hans so wie ich Euer Lied von den drei Dingen hören. Wie ging das noch? Die Untreu’ liegt im Hinterhalt, und auf der Straße fährt Gewalt; der Friede und das Recht sind wund, die dreie haben keinen Schutz, eh’ diese zwei nicht sind gesund? «
Das kam überraschend. Es war offensichtlich, dass Hermann einen weiteren Seitenwechsel plante und Verbündete haben wollte, um sich dagegen abzusichern, alleine zu stehen und von Philipp einfach überrannt zu werden. Das Haus Andechs-Meranien kam ihm da schon sehr gelegen, vor allem, weil die Ländereien des Bamberger Bischofs im Süden an sein Thüringen grenzten. Die Ungarn hatte er sich bereits durch die Verlobung seines Sohnes gesichert und musste daher auch keine üblen Überraschungen von dieser Seite erwarten.
Walther hätte daher verstanden, wenn Hermann ihm empfohlen hätte, Otto aufzusuchen, wenngleich der Landgraf bessere Boten besaß, um mit dem Welfen erneut Fühlung aufzunehmen. Aber von Hans von Brabant, dessen Verbindung zu Otto in den letzten Jahren empfindlich erkaltet
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