Das Spiel der Nachtigall
Vertrautes. Als der Ritter den Mund öffnete, bemerkte Walther auch ein kleines gesticktes rotes Kreuz auf seinem Umhang, das besagte, dass dieser Ritter das Heilige Land besucht haben und einst ein Kreuzfahrer gewesen sein musste.
»Georg von Bamberg«, sagte der Mann. Es war die gleiche Stimme, die einst zum Tod des Münzmeisters Salomon aufgerufen hatte. »Ihr seid der Sänger, nicht wahr? Ich glaube, wir sind uns schon einmal über den Weg gelaufen. Habt Ihr nicht zum Gefolge des Bischofs von Passau gehört?«
»Hin und wieder«, gab Walther zurück und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihm diese Begegnung war.
»Der Passauer war wenigstens noch ein Bischof, zu dem man aufblicken konnte«, sagte Georg, was Rückschluss auf seine Meinung über seinen eigenen Fürstbischof zuließ. Wenn er schon nüchtern solche Bemerkungen machte, dann würde Wein ein Übriges tun, um seine Zunge vollends zu lockern. Ganz gleich, wie sehr er Walther zuwider war, er konnte eine gute Auskunftsquelle sein, also sagte Walther, er würde die edlen Ritter gerne als Dank für ihre Gastfreundschaft zu einem Umtrunk einladen, denn eine feuchte Kehle habe er jetzt dringend nötig, und es tränke sich viel trauriger allein. Die beiden Ritter waren von dem Vorschlag mehr als angetan, machten jedoch ein verächtliches Gesicht, als er Wein als Getränk ins Spiel brachte. Sie erklärten, hier in Bamberg müsse ein echter Mann Bier trinken, es wäre das beste im Reich.
»Dann sollten wir auch meinen Knappen mitnehmen«, sagte Walther, denn der Junge würde in den Ställen schlafen müssen, da hatte er wenigstens etwas Spaß verdient. Ob er, wenn nötig, als Zeuge anerkannt wurde, blieb dahingestellt, aber beeinflussen würde es einen möglichen Richter vielleicht doch. Und da sein Knappe nicht wusste, um was es Walther wirklich ging, würde es eine fröhliche Zechrunde für ihn werden.
Oswald und Georg hegten keinen Groll gegen ihren Bischof, aber da er jünger als sie beide war, nahmen sie ihn auch nicht ganz für voll. »Ich habe bereits Gott im Heiligen Land gedient«, verkündete Georg, »als der noch gelernt hat, wie man Predigten hält. Unser alter Bischof Thiemo, das war noch ein Mann. Dem haben wir es zu verdanken, dass die Stadt jetzt eine Kaiserin als Schutzheilige hat.« Er lachte. »Wird wohl bis auf weiteres die einzige bleiben. Ich glaube nicht, dass Seine Heiligkeit je einen Staufer oder seine Weiber heiligsprechen wird.«
»Der Tod hat schon aus so manchem einen Märtyrer gemacht«, sagte der fröhliche Oswald und grinste. Ob es nun eine bierselige Witzelei war oder eine Anspielung, sie wurde von Georg mit noch mehr Gelächter beantwortet, aber mehr sagten sie den ganzen Abend nicht dazu.
Trotz bester Absichten fiel es Walther schwer, sich zurückzuhalten. Vielleicht hatte er selbst zu viel getrunken, und vielleicht ging ihm einfach zu viel durch Kopf und Herz, das bitter schmeckte und ausgespien werden wollte. Zu gerne hätte er auch gefragt: Märtyrer wie der Münzmeister in Wien. Aber an den dachte Georg bestimmt nicht mehr, und ein Gewissen schien diesen beiden Rittern auch fremd zu sein. So blieb Walther nur der Vorsatz, ihnen in ihre Krüge zu pinkeln, wenn sie sich später draußen erleichterten, und das tat er dann auch, das zumindest.
Kapitel 40
E s war für Beatrix nicht so schön, wie sie geglaubt hatte, als Teil des Hochzeitszugs ihrer Base nach Bamberg zu reisen. Diesmal war es notwendig, für jede noch so kleine Ortschaft, durch die sie kamen, die besten Kleider zu tragen, zu lächeln und zu winken. Außerdem mahnte ihre Mutter sie, die Blumensträuße aufzufangen und mit sich zu tragen, die ihr zugeworfen wurden, ganz gleich, ob die Blumen frisch oder, wie so oft, halbverwelkt waren. Schlimmer waren natürlich die ausgehungerten Gesichter vieler Menschen. Früher hatte Beatrix wie ihre jüngeren Schwestern im Wagen gesessen, wenn sie ihre Mutter begleiteten, was nur zwischen Hagenau und ein paar Residenzen in Schwaben der Fall war; schon Speyer war ein Abenteuer gewesen, weil das Rheinland früher als unsicher gegolten hatte. Diesmal, hatte ihre Mutter erklärt, war es wichtig, dass der Vater dem Volk seine Familie zeigte. Das Elend, das Beatrix vielerorts sah, traf sie so unvermutet wie die Brandspuren, die häufig noch an Häusern zu erkennen waren.
»Das waren alles die Welfen, nicht wahr?«
»Nein«, erwiderte ihre Mutter. »Du bist alt genug, um es besser zu wissen, mein
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