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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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zornig. »Die Kölner waren noch nie unsere Verbündeten, im Gegenteil! Die ganze Stadt kriecht doch dem König von England in den Hintern, weil sie all ihr Geld vom Handel mit ihm beziehen, und Richard ist unser Feind. Hat er dich geschickt, Jude? Ist das seine Rache?«
    Judith wusste, dass sie alles nur noch schlimmer machen würde, wenn sie den Mund aufmachte. Niemand würde ihr glauben, wenn sie sich dem Herzogssohn zu Füßen warf und erklärte, dass ihr Vater ihretwegen auf dem Weg nach Salerno war. Aber sie konnte nicht einfach weiter stumm in eine Ecke gedrückt stehen, während ihr Vater von menschlichen Geiern wie ein Lamm zerrissen wurde! Irgendwie musste sie ihm helfen.
    Und wenn die unwahrscheinliche Wahrheit nicht geglaubt wurde, dann vielleicht eine wahrscheinliche Lüge …
    »Herr Leopold«, rief sie laut, »Eure edle Mutter hat von dem großen Unglück erfahren und bittet Euch, ihr in ihrem Schmerz beizustehen!« Das entkräftete zwar keinen Vorwurf gegen ihren Vater, aber es schaffte den einzigen Mann, der die Macht hatte, aus den Vorwürfen einen Galgen werden zu lassen, aus dem Zimmer. Tatsächlich drehte sich Leopold zu ihr um, genau wie ihr Vater, der entsetzt dreinschaute.
    »Und warum hat sie dir eine Laute mitgegeben, Mädchen?«, fragte Leopold misstrauisch. Zu spät fiel Judith auf, dass sie noch immer Walthers Instrument in Händen hielt.
    »Ich …«
    »Bruder«, sagte eine Stimme hinter ihr; der andere Fürstensohn kehrte in das Gemach zurück. »Was ist das für ein ungebührlicher Streit am Totenbett unseres Vaters! Man hört dich noch in den Kellergewölben. Ziemt sich das für den Herzog der Steiermark?«
    Leopold wirkte mit einem Mal sehr jung, als er errötete. »Es ist nur, weil der Jude … Herzog der Steiermark?«
    »Es war der Wille unseres Vaters, dass unser Herzogtum geteilt wird und die Steiermark an dich fällt«, erklärte Friedrich mit undurchdringlicher Miene. »In dieser traurigen Stunde sollte nun aber die Familie über alles gehen. Lass uns an die Seite unserer Mutter eilen. Dann mag der hochwürdige Bischof von Passau eine Messe für die Seele unseres Herrn Vater lesen, ist er doch, gelobt sei Gott, wieder versöhnt im Schoß der Mutter Kirche gestorben, da alle Bedingungen des Heiligen Vaters für seine Buße erfüllt werden.«
    »Gelobt sei Gott«, fiel der Bischof ein. Er klang durchaus aufrichtig, doch Judith entging nicht, dass er nicht auf Friedrich, sondern auf Walther schaute. Sein Blick war sehr neugierig.
    »Gelobt sei Gott«, sagte Leopold. »Aber findest du es nicht verdächtig, dass unser Herr Vater gestorben ist, nachdem ein Jude aus Köln die Hand an ihn legte?«
    »Unser Vater lag seit Tagen im Sterben«, erwiderte Friedrich gemessen. »Das lag, wie uns die Ärzte glaubhaft versicherten, an der ungünstigen Konstellation der Sterne. Außerdem war der würdige Herr Bischof im Raum und hat für ihn gebetet. Meinst du etwa, ein einzelner Jude, ob er nun Gutes oder Böses will, sei mächtiger als ein Fürst unserer Kirche?«
    Es war weniger das Schweigen Leopolds und mehr die Enttäuschung auf den Gesichtern der Ärzte, die in Judith Hoffnung keimen ließ; sie schienen nicht mehr zu glauben, einen Sündenbock für ihr Versagen zu haben. Etwas in ihrem Mund schmeckte bitter. Sie hatte sich so darauf gefreut, von anderen Ärzten zu lernen, mit ihnen zu debattieren und zusammenzuarbeiten, und die ersten Ärzte, denen sie in der Fremde begegnete, waren Feiglinge, die ihr Bestes getan hatten, um ihre Unfähigkeit zu verbergen und ihren Vater den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen.
    »Gott hat gesprochen«, stimmte der Bischof zu. »Herr Friedrich hat recht. Eilt, um Eurer Mutter Trost zu spenden, und dann betet für die Seele Eures Vaters. Wie das auch jeder andere hier im Raum tun wird«, fügte er streng hinzu. Ein allgemeines Bekreuzigen setzte ein. Ihr Vater bewegte die Lippen, ohne einen Laut von sich zu geben, und Judith wusste, dass auch er betete. Sie wollte zu ihm eilen, ihn umarmen und um Verzeihung bitten, doch sie traute dem Frieden noch nicht.
    »Darf ich meine Laute wiederhaben?«, murmelte jemand neben ihr; irgendwie hatte sich Walther an ihre Seite geschmuggelt. Stumm reichte Judith sie ihm. Eigentlich wollte sie ihm danken, da es danach aussah, dass die Haltung des neuen Herzogs sein Werk war, aber sie fand ihre Kehle wie zugeschnürt. Jetzt, wo die Bedrohung in Form all der Herren und Ärzte nach und nach das Gemach des alten Herzogs verließ,

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