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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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einen Bastard zu nennen, hätte Joringel überdies dem allgemeinen Spott preisgegeben. Außerdem hätte ihm das der neue, junge Kaiser übelgenommen, und Joringel brauchte den einzigen Verbündeten, der auch Einfluss auf den Papst nehmen konnte. Also beschloss er, mit der kaiserlichen Erlaubnis, das Herzogtum zu teilen, in Österreich und in die Steiermark, um sicherzustellen, dass etwas davon von seinem eigenen Fleisch und Blut regiert wurde. Außerdem hatte der edle Ritter, der sich für seinen älteren Sohn hielt, einen Kreuzzug gelobt. Was konnte dabei nicht alles geschehen! Da Joringel nicht mehr allein auf den Willen Gottes vertraute, schrieb er außerdem seinen Verwandten im fernen Byzanz, wohin jeder Kreuzfahrer zuerst seine Schritte wendet, wichtige Briefe über Vergangenheit und Zukunft. Er bestand darauf, sie trotz großer Schmerzen zu diktieren, in einer Sprache, die außer seinem Priester keinem Menschen an seinem Hof bekannt war. Doch Gott kennt alle Sprachen, und er hielt die Zeit für gekommen, um Joringels Qualen zu beenden und ihn zu sich zu nehmen.« Aus dem Gemach des Herzogs konnte Walther unheilvoll klingendes Gezänk hören. Er verbot sich, ihm zu lauschen; jetzt kam es darauf an, jede Regung Friedrichs zu beobachten.
    »Und Jorinde?«, fragte dieser. Eine Ader pochte an seiner Schläfe und schwoll an, doch darüber hinaus hätte er eine Statue in der Kirche sein können.
    »Jorinde war vor allem eine Mutter. Sie blieb dem Krankenbett ihres Gemahls fern, da sie nicht Gefahr laufen wollte, dass er in seinem Schmerz das Geheimnis ihres älteren Sohnes der ganzen Welt enthüllte, wenn er in ihr Antlitz schaute. Was dann geschah, davon weiß die Sage nichts.«
    »Tut sie das nicht?«, sagte Friedrich tonlos. »Wie seltsam. Mir ist es, als ob da noch etwas über Jorindes Sohn vorkommen könnte, wie er in seinem Schmerz ob solcher Entdeckungen einem Vogel den Hals umdreht, um seine Stimme nicht mehr zu hören.« Seine Augen waren sehr, sehr kalt.
    »Das würde Jorindinar nie tun«, sagte Walther. »Er ist ein edler Herr, der, gewarnt von dem aufmerksamen Vogel und gewappnet gegen alle Tücke, aus den Sünden der Vergangenheit das Heil der Zukunft gewinnen kann. Zumal die Vogelstimme nicht das Einzige ist, was ihm Glück verheißt. Der liebliche Klang von Silber tut desgleichen. Denn wisst, dass der Heilige Vater, als er den jungen Kaiser um Silber bat, von diesem hörte, es sei für die Rüstung eines neuen Kreuzzugs verwendet worden, und damit zufrieden war, was ein ehrwürdiger Bischof bezeugen kann. Da ist es schlechterdings unmöglich, die gleiche Entschuldigung nicht auch vom jungen Herzog anzunehmen, den der Kreuzzug ebenfalls nicht billig kommen wird.«
    In Friedrichs Gesicht zuckte es. »Dieser Teil der Geschichte gefällt mir besser«, sagte er, doch seine Stimme klang immer noch rauh. »Warum aber sollte Jorindinar dem Vogel nicht trotzdem den Hals umdrehen?«
    Walther spürte den Schweiß seinen Rücken hinunterrinnen und das harte Mauerwerk durch den Wandbehang hinter sich. »Weil ein Mann in seinem Schmerz niemals alle Vögel erwischt. Wenn einer entwischt, von dem er nichts weiß, und die Geschichte von Jorinde, Joringel und Jorindinar überall im Reich herumzwitschert, dann wäre das wahrlich ein schlechtes Ende für diese Erzählung. Nein, da gefällt mir ein anderes doch viel besser: In dem hat jeder Vogel sein Nest, in dem er zufrieden das Lob seines Herrn singt und ihn vor weiterem Unbill des Schicksals warnt, sollten sich solche Gelegenheiten bieten. Schließlich hat er bewiesen, was für scharfe Augen er hat. Außerdem ist das Geheimnis um das Silber noch nicht gelöst, obwohl sich auch dafür die Lösung abzeichnet.«
    Wieder war in dem Schweigen zwischen ihnen der Lärm von nebenan zu hören und Walthers eigener Atem. Dann hob Friedrich eine Augenbraue. »Meint Ihr denn, dass so ein Vogel wirklich nicht mehr als das Nest will, das ihm ohnehin versprochen wurde?«
    »Das, und ein glückliches Ende für alles andere Gefieder«, entgegnete Walther mit trockenem Mund. »Sogar die armen Krähen, die Joringel in seinen letzten Stunden umkreisten. Alle von ihnen, denn sie wollten nur helfen, so hässlich sie auch aussehen in ihrem schwarzen Gefieder. Jorindinar ist ein so edler Ritter, dass er jeden Einzelnen von ihnen in Frieden fortschickt, ohne Ausnahme. Das ist das richtige Ende.«

Kapitel 5
    U nd warum sollte ein Jude aus Köln nach Wien kommen?«, fragte der junge Leopold

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