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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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aus Stein, nicht aus Holz, und die Wandbehänge so dick und gut gewebt, dass es trotzdem wärmer war als in Vetter Salomons reinlicherem Haus.
    »Wie steht die Herzogin zu Graf Otto?«, fragte sie, um seine Gutwilligkeit zu erproben.
    »Nun, sie hat keine Töchter, die sie mit ihm verheiraten könnte. Außerdem glaube ich nicht, dass unser Herzog je mit den Welfen verbündet war. Er war immer auf der Seite der Staufer. Schließlich hat er sogar seinen ältesten Sohn nach dem alten Kaiser Friedrich genannt.« Walther hielt inne und verschluckte sich. Sie klopfte ihm auf den Rücken, als er hustete, ohne darüber nachzudenken. »Seht Ihr, ich habe Euch gesagt, dass meine Hände von Nutzen sind.«
    »O mein Gott. Natürlich! Jetzt wird mir alles klar. Wie konnte ich nur die Zusammenhänge übersehen!«
    »Und was ist das?«
    Er betrachtete sie nachdenklich. »Ihr wisst nicht zufällig, wo das englische Silber steckt, hmm?«
    »Ich kann es mir denken«, gab sie zurück, was keine Lüge war. »Und ich weiß, wer bestätigen kann, was ich vermute.«
    »Ich bin mir nur nicht sicher, ob diese Auskunft meine Auskunft wert ist«, sinnierte er laut, und sie wusste nicht, ob sein Tonfall ein neckender oder herausfordernder war, ob er einen Handel anbot oder ablehnte. Vielleicht war, was auch immer ihm gerade klargeworden war, auch nur eine läppische Hofintrige, die ihr und ihrem Vater nicht helfen würde? Doch wenn man in unsicherem Wasser schwamm, konnte man kein noch so dünnes Tau ignorieren, das einem gezeigt wurde.
    Wenn man einen Patienten dazu bringen wollte, über den Hergang seiner Krankheit zu sprechen und auch Dinge zu erzählen, die er lieber für sich behalten wollte, half es dem Arzt, so zu tun, als wisse er bereits das Wesentliche, das hatte ihr Vater Judith gelehrt. Gebrauche deinen Verstand, hatte er ihr eingeschärft, deine Beobachtungsgabe und alles, was du über die Menschen weißt.
    Ihre Frage nach der Herzogin hatte Walther auf den richtigen Gedankengang gebracht. Von der Herzogin war er auf den Herzog gekommen, und dann … Judith dachte an das, was ihr vorhin aufgefallen war. »Wenn der Herzog stirbt, wird die Herzogin vielleicht trauern, aber sie wird nicht bedauern, dass er tot ist«, sagte sie langsam.
    Walthers Augen weiteten sich. »Nein«, gab er zurück. »Nein, ich glaube, das wird sie nicht.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schien eine Entscheidung für sich zu treffen. »Irgendwann im vorletzten Monat, auf dem Hoftag in Gelnhausen, muss der Herzog erfahren haben, dass sein Sohn Friedrich …«
    Weiter kam er nicht, denn aus der Richtung, in der sie gingen, drang lautes Wehgeschrei aus vielen Kehlen. Judith brauchte keine Übersetzung: Es konnte nur einen Grund dafür geben. »Der Herzog ist tot«, sagte sie tonlos, und an Walthers grimmigem Schweigen erkannte sie, dass sie recht hatte.

    Der Anblick, der sich ihnen bot, war genau so, wie Judith befürchtet hatte. Zwischen den klagenden und betenden Höflingen und Dienern, den beiden hohen Herren, die auf einen Mann im Bischofsgewand einsprachen und wohl die Söhne des Toten waren, hatte einer der anderen Ärzte bereits begonnen, laut zu lamentieren, dass nichts anderes zu erwarten war, wenn man einen Juden hinzuziehe, der nichts von einer ungünstigen Konstellation von Saturn und Jupiter zum Mars verstünde. Judiths Vater stand mit dem Rücken zu ihr, doch sie hörte ihn klar und deutlich sagen: »Nein, es war nichts anderes zu erwarten bei einem Wundbrand, der so schlecht behandelt wurde. Ihr hättet den Knochen in den Stumpf hinein abtrennen und die Haut darüber schließen müssen, aber nach dem, was ich hier sehe, wurde abgestorbenes Gewebe am Stumpf gelassen.«
    »Das ist eine Verleumdung! Wir haben alles getan, was uns möglich war, und Gott hätte es gewiss gefallen, den Herzog wieder genesen zu lassen, bis Ihr gekommen seid mit Eurem jüdischen Hokuspokus! Wann hätte je ein Jude einem Christenmenschen etwas Gutes getan?« Der Jüngere der beiden Edelmänner schaute auf: »Ich war von Anfang an dagegen, den Juden hier hereinzulassen«, sagte er, und seine Stimme überschlug sich.
    Erst als Walther leise bat, sie möge ihn gehen lassen, wurde Judith bewusst, dass sich ihre Finger um sein Handgelenk verkrampft hatten. »Mein Vetter Salomon weiß, was aus dem Silber geworden ist«, flüsterte sie, »aber wenn meinem Vater etwas geschieht …« Sie beendete den Satz nicht. Es war ohnehin ein dummes Druckmittel. Natürlich

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