Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
sogar Unterstützung zu bekommen, dann müsste man zunächst einmal den Wert der jeweiligen Münzen gegeneinander aufrechnen. Und wer soll das tun? Ein Mann aus Österreich oder einer aus England? Oder gar ein Mann des Papstes? Es würde Jahre dauern, sich allein darauf zu einigen.«
    Während der Erklärung schaute Walther zunächst drein, als habe er einen Frosch verschluckt, doch dann schlich sich wieder ein Grinsen in sein Gesicht. »Bei allen Heiligen!«
    »Meint Ihr, dass der Herzog damit zufrieden sein wird?«, fragte Judith. »Herzog Friedrich «, fügte sie hinzu, um klarzumachen, von wem sie sprach.
    »Ich denke schon, wenn noch genügend in der Familienkasse ist. Er hat einen Kreuzzug zu bezahlen, früher oder später«, entgegnete Walther. Das Wort Kreuzzug streifte sie wie ein kalter Wind. An dem Schweigen ihres Vaters und Salomons erkannte sie, dass es ihnen ähnlich ging. Es machte ihr die Kluft zwischen ihnen dreien und Walther klar. Nicht, dass sie diese vergessen hatte; natürlich hatte sie das nicht. Walther war ein besserer Mann, als sie zunächst angenommen hatte, der sich hilfreich zeigte, wo Hilfe dringend benötigt wurde, doch er war ein Christ, und es gab nichts, was sie gemeinsam hatten.
    Sie räusperte sich. »Wir sollten wieder nach Wien zurückkehren, Vater«, sagte sie. »Wer weiß, in welcher Stimmung die Herzöge sein werden, wenn die Messe für ihren Vater erst einmal gesprochen ist.«
    »Ich war schon länger nicht mehr in der Stadt«, sagte Walther. »Was haltet Ihr davon, wenn ich Euch noch einmal begleite?«
    Auf Vetter Salomons Stirn erschienen Sturmwolken. Gleich würde er seine Furcht und Umsicht vergessen und aussprechen, dass ein christlicher Mann nichts in der Nähe einer jungen unverheirateten jüdischen Frau zu suchen hatte. Auch ihr Vater schaute alles andere als begeistert drein.
    »Ich glaube, Ihr solltet an der Seite Eures Herrn bleiben«, sagte Judith leise.
    Sein Mund formte ein stummes Oh, das zu einem verunglückten Lächeln wurde. Mit einem Mal wirkte er verwundbar, was er selbst dann nicht getan hatte, als sie ihm ins Gesicht schlug. Es ließ in Judith das Gefühl keimen, undankbar zu sein, und sie fasste einen Entschluss. »Vater, kommt dir Herrn Walthers Hals nicht auch leicht angeschwollen vor? Er gebraucht seine Stimme so oft, dass es mich nicht wundern würde, wenn er sie bald verlöre, wenn man ihm nicht hilft. Gestatte, dass ich meine ärztliche Pflicht erfülle und das überprüfe. Würdest du mir aus der Küche Kamille dafür holen? Und Vetter Salomon, könnt Ihr meinem Vater den Weg weisen?«
    Josef ben Zayn blickte, ein wenig skeptisch, doch zu ihrer Überraschung nickte er und verließ mit dem zögerlich wirkenden Salomon den Raum.
    »Meine Stimme ist«, begann Walther empört, weil er natürlich zuerst sprach und erst dann dachte, doch sie konnte das Begreifen in seinen Augen erkennen, als sie näher trat, »bisweilen völlig heiser, ja. Ihr habt recht, ich brauche dringend Hilfe.« Mittlerweile stand sie direkt vor ihm. Sie hob ihre Hände, ihre Fingerspitzen ertasteten seinen Halsmuskel. Sie spürte, wie er schluckte.
    »Ihr seid größer als ich. Es wäre leichter, wenn Ihr vor mir niederkniet«, sagte sie und bemühte sich, sachlich zu bleiben, was nicht einfach war, da ihm natürlich nichts fehlte. Der Ausdruck, mit dem er sie betrachtete, war auch nicht hilfreich.
    »Nichts einfacher als das«, erwiderte er und sank vor ihr auf die Knie. Da sie ihn nicht festhielt, streiften ihre Finger dabei über seine Wange und durch sein Haar. Er hat den Vater gerettet, sagte sie sich, weil die Berührung sanfter ausfiel, als es der Zufall möglich gemacht hätte. Vor allem, als sie ihre Fingerspitzen erneut unter sein Kinn gleiten ließ.
    »Jetzt öffnet Euren Mund.« Judith musste leise sprechen, denn ihre Stimme war ein klein wenig belegt. Immerhin ließ sie ihre Ausbildung nicht im Stich. »Und sagt laut A. «
    »A für Anbetung?«, fragte er unschuldig.
    »A für Angeberei«, gab sie zurück, denn er sollte sich nicht einbilden, dass sie etwas anderes wollte, als sich auf freundliche Weise zu verabschieden. Wunschgemäß sprach er den Vokal so lange und gedehnt, dass sie ihm den Sänger ohne weiteres glaubte. Sie konnte keinerlei Entzündungen erkennen, was sie nicht überraschte, aber einige seiner Zähne waren fleckig und schon etwas dunkel. Den meisten Menschen, die nichts von Medizin verstanden, musste man Zahnpflege erst erklären.
    »Euer Hals

Weitere Kostenlose Bücher