Das Spiel der Nachtigall
Nürnberg zum König und Kaiser gewählt!«, brüllte Otto.
Das war ein Schlag, aber gewiss doch mehr ein lächerlicher als ein schwerer, fand Schweinspeunt. In einem für ihn seltenen Versuch, behutsam zu sein, um den Kaiser keinen Dummkopf zu nennen, räusperte er sich und meinte: »Dann nehmen wir eben nicht nur einen Zaunkönig gefangen, sondern ein Kaiserlein. Ihr werdet herzlich darüber lachen können, wenn Ihr ihn in einem Käfig zurück ins Reich mitnehmt.«
»Nein«, sagte Otto finster. »Wenn Friedrich nur einen Funken Verstand besitzt, dann hat er sich schon in Sicherheit gebracht. Wenn wir uns hier verzetteln und nach ihm suchen, stehen wir mit der Insel in der Hand da, während das Reich verlorengeht.«
»Aber er hat keine Truppen«, sagte Schweinspeunt, der es nicht fassen konnte, auf das Offensichtliche hinweisen zu müssen. »Die Fürsten können ihn zehnmal zum König erklären, er hat keinen einzigen Ritter mit Kriegsknechten, der diesen Worten auch Taten folgen lassen kann. Worte sind billig, und die Fürsten geben ihm bestimmt kein Geld, bis er sich bewiesen hat.«
Otto kehrte an den Tisch zurück und starrte erneut auf das Pergament. »Sie haben ihre eigenen Truppen, diese Verräter, außerdem ein paar französische, zusammen mit französischem Geld. Wie es scheint, hat der König von Frankreich beschlossen, er müsse dem Wunsch des Heiligen Vaters Folge leisten und der sogenannten Gerechtigkeit «, er spie das Wort beinahe aus, »zum Sieg verhelfen.«
»Aber wenn Ihr erst in Palermo einzieht, dann …«
»Ich werde nicht in Palermo einziehen! Nicht jetzt.«
»Was?«, fragte Diepold von Schweinspeunt fassungslos, alle Ehrerbietung vergessend.
»Ich werde heimkehren«, knurrte Otto, »und einen Haufen Herren an ihre Vasallenpflichten erinnern und daran, wer der einzig wahre König ist, der Erbe von Welfen und Staufern gleichermaßen. Sie werden mir alle mit Blut, Schweiß und erheblich mehr Steuern für diese Ungeheuerlichkeit bezahlen!«
»Mein Kaiser«, sagte Schweinspeunt verzweifelt, denn er konnte es nicht fassen, dass ein wegen seiner soldatischen Fähigkeiten berühmter Mann um seiner Rachsucht willen einen solchen Fehler machen würde, »das werden sie umso mehr, wenn Ihr als siegreicher Herr Siziliens wiederkehrt.« Hilfreich fügte er hinzu: »Vor allem, wenn Ihr mit dem Zaunkönig so verfahrt wie einst Kaiser Heinrich mit dem letzten Normannen auf dem Thron. Lasst ihn entmannen und blenden, dann wird ihn auch der dümmste deutsche Fürst nicht mehr Euch vorziehen. Welch besseren Weg kann es geben?«
»Schweinspeunt, Ihr vergesst Euch! Seid Ihr hier der Herr, oder bin ich das? Ihr seid nur dazu da, um meine Befehle auszuführen, genau wie der Rest des Geschmeißes. Und wenn ich sage, wir kehren um, dann, bei Gott, kehren wir um!«
»Ihr seid der Herr«, bestätigte Diepold von Schweinspeunt bitter und war fest überzeugt, dass der Kaiser einen Fehler machte. Er konnte nur hoffen, dass es ein Fehler war, der die Rückeroberung Siziliens lediglich aufschob, statt sie unmöglich zu machen.
Mit einem jähen Stimmungsumschwung verzogen sich Ottos Lippen zu einem Grinsen, dem jedoch jeglicher Humor fehlte. »Betrachtet mich einfach als einen eifrigen Bräutigam, mein Freund. Es ist an der Zeit, um meine Ehe zu vollziehen. Wenn mein teures Weib erst einen Erben für mich in die Welt setzt, wird keiner von den alten Staufervasallen mehr in Versuchung kommen, auch nur in Gedanken mit Verrat zu spielen. Ich werde mein Haus bestellen, bei Gott, und es in einem Zustand zurücklassen, in dem es keiner mehr wagt, mir je wieder ein solches Messer in den Rücken zu jagen!«
* * *
Die Nachricht vom Nürnberger Fürstentreffen und der Wahl, an der nicht nur viele weltliche, sondern auch die meisten geistlichen Fürsten teilgenommen hatten, ließ die Residenz des Kanzlers in Speyer zum aufgescheuchten Bienenstock werden. Er musste sich sagen, dass Otto ihm nie glauben würde, dergleichen sei ohne sein Wissen vor sich gegangen.
»Entweder«, sagte Beatrix zu Judith, »mein Gemahl hält ihn für einen Verräter oder für unfähig. Schließlich muss eine solche Abstimmung lange vorbereitet worden sein. Um die Fürsten zu gewinnen, gleich zu wählen, hat es gewiss mehr als eines einzigen Briefes des Heiligen Vaters bedurft, und doch hat keiner etwas von Boten erzählt, geschweige denn vom Inhalt der Briefe, um eine Verschwörung in diesem Maßstab durchzuziehen.« Sie wirkte alles andere als
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