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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Judith eine Hochzeit unter Ottos Fittichen zuzumuten. Da sie Beatrix nicht verlassen würde, solange diese noch mit Otto vermählt war, kam auch eine gemeinsame Flucht nicht in Frage. Aber dergleichen zu erklären, hätte bedeutet, Markwart in etwas einzuweihen, das ihm den Hals kosten könnte. Also antwortete er ausweichend: »Nichts wäre mir lieber, als wenn der Kaiser deine Meinung teilte. Doch wie es scheint, braucht er noch ein wenig Zuspruch.«
    »Sind wir deswegen nach Passau unterwegs?«, fragte Markwart.
    »Den Papst würde ich weder als Fürsprecher gewinnen können noch wollen, doch der Patriarch von Aquileja ist der mächtigste deutsche Kirchenmann«, gab Walther zurück. »Kannst du dir einen besseren Fürsprecher denken?«
    Das war nicht gelogen, denn er hatte ein Anliegen, er hoffte wirklich, dass der Patriarch sich dafür einsetzen würde, nur war es eben nicht ein Lehen für sich. Zumindest jetzt noch nicht.

    In Passau war Wolfger damit beschäftigt, von morgens bis abends Bittsteller anzuhören und mit den Bistumsklerikern deren Handlungen der letzten Jahre durchzugehen, doch Walther und Markwart erhielten einen Platz in der Residenz. Am zweiten Tag fand Wolfger eine freie Stunde für ihn.
    »Ist es nun fertig, das Lied von den Nibelungen?«, fragte Walther, als man sie alleine gelassen hatte. Wolfger schenkte ihm ein müdes Lächeln.
    »Ich bin im letzten Jahr kaum zum Dichten gekommen, Herr Walther. Außerdem muss ich gestehen, dass ich davor zurückscheue, es enden zu lassen, denn es tut weh, jene Menschen umzubringen, die mir in all ihrer Düsternis ans Herz gewachsen sind.«
    »Dann könnt Ihr Euch kein anderes Ende vorstellen als den Tod für alle?«
    »Nun, für Kriemhild und Hagen gibt es keinen Ausweg. Sie könnten sich nie verzeihen, was sie einander angetan haben, und Kriemhilds Brüder begehen Verrat, ganz gleich, wem sie die Treue halten. Nein, ich fürchte, die letzten Zeilen meines Liedes werden nur aus Blut und Tränen geschrieben sein.«
    Jetzt kommt es darauf an, dachte Walther. »Das ist gewiss das rechte Ende für Euer Lied«, sagte er langsam, »doch in der Wirklichkeit fände ich es besser, daran zu denken, dass es noch andere Enden geben kann. Selbst in einer scheinbar hoffnungslosen Lage wie einem Zwiespalt zwischen Kaiser und Papst.«
    Der freundliche alte Mann und Mitdichter war von einem Moment zum anderen verschwunden; Wolfger fasste ihn streng ins Auge. Walther wurde sich einmal mehr bewusst, warum sein Gegenüber alle anderen deutschen Bischöfe hinter sich gelassen und an die Spitze gekommen war. »Herr Walther, ist Euch bewusst, dass Ihr schon vor Jahren für Eure Verse in einem Kerker hättet verschmachten oder zumindest eine Hand hättet verlieren können, wenn ich nicht die meine stets über Euch halten würde? Treibt es nicht zu weit!«
    Die Erinnerung an die Leiche von Gilles kehrte zurück, an den beinlosen Körper, und das Bewusstsein, dass er selbst auf diese Weise nie hätte leben können. Ihm kamen auch Marktplätze in den Sinn, wo er Menschen die Zunge auf einem Nagelbrett hatte verlieren sehen, Menschen ohne Beschützer, die sich gegen einen Mächtigen ihres Ortes ausgesprochen hatten.
    Aber zu viel stand auf dem Spiel, um jetzt noch der Angst zu gestatten, Oberhand in ihm zu gewinnen.
    »Ihr habt mich einmal gebeten, mich um des Friedens willen zurückzuhalten«, sagte Walther, »und ich habe es getan, Euer Gnaden. Sosehr mich mein eigenes Wohl kümmert, so gibt es Dinge, die mir noch mehr am Herzen liegen. Als Otto König und Kaiser wurde, habe ich wie alle anderen gehofft, dass es zum Besten des Reiches geschähe, und meine Bedenken zurückgeschoben, weil es bedeutete, dass endlich Frieden einkehrte. Aber nun zeigt sich, dass schon wieder der Bann über dem Reich um seines Herrschers willen liegt, und Ihr wisst, dass weder Otto noch der Papst jemals nachgeben werden. Ihr seid nicht Kriemhilds Bruder, Euer Gnaden, der eine Seite verraten muss, um für andere in den Tod zu gehen, ganz gleich, wie blutbefleckt sie ist. Ihr habt eine der wenigen Stimmen, die Gewicht beim Heiligen Vater haben.«
    »Wenn meine Stimme bei ihm Gewicht hat«, entgegnete Wolfger ausdruckslos, »dann weil er weiß, dass ich ihn nie um etwas bitten würde, das der Mutter Kirche schadet. Herrn Ottos Ansprüchen auf Sizilien seinen Segen zu erteilen, würde den Heiligen Stuhl wieder zum bloßen Siegel der Kaiser machen, wie er es unter dem alten Kaiser Rotbart war.«
    »Otto ist

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