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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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steigern die Begierde. Aber das verstehst du nicht«, schloss Beatrix überlegen, »denn du bist noch ein Kind.« Außerdem bestellte sie den stärksten und süffigsten Wein, den der Keller des Kanzlers vorrätig hatte, und schärfte einem Knappen ein, Herrn Walther gegen Ende des Abends ins Ohr zu flüstern, dass die Magistra ihn im Garten sprechen wolle, unter dem Lindenbaum dort.
    Als Beatrix gewiss war, dass die Magistra ihre Portion Möhren aufgegessen und genügend Wein getrunken hatte, um in einer heiteren, gelösten Stimmung zu sein, zog sie die Magistra zur Seite und flüsterte ihr zu, Herr Walther habe den ganzen Nachmittag damit verbracht, den spätsommerlichen Garten für sich zu beanspruchen, und habe sie gebeten, durch kaiserlichen Befehl jeden Menschen sonst daraus fernzuhalten. »Ich glaube, er hat etwas für Euch vorbereitet. Auf jeden Fall soll ich Euch ausrichten, Ihr mögt Euch unter der Linde einfinden.«
    Als die Magistra in Richtung des Gartens verschwand, widerstand Beatrix der Versuchung, triumphierend zu krähen. Dergleichen wäre wirklich zu kindisch gewesen. Aber sie hatte den Nachmittag damit verbracht, unter der Linde eine Lagerstätte aufzubauen, und diese mit den eigentlich für Heilöl bestimmten Rosenblättern bestreut. Sie hatte es ganz alleine getan, weil sie verhindern wollte, dass irgendjemand ihre Pläne verriet; alles, was das Gesinde wusste, war, dass niemand den Garten betreten durfte.
    Sie beobachtete, wie der von ihr beauftragte Knappe Herrn Walther etwas zuflüsterte, und wie er, der ebenfalls seine Möhren und reichlich Wein bekommen hatte, sich nach einer kurzen Entschuldigung zurückzog.
    »Ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat«, sagte Kunigunde misstrauisch, »aber Lügen werden früher oder später entdeckt, das weißt du doch.«
    »Nicht, wenn es Erfindungen sind, die zu Wahrheiten werden«, gab Beatrix hochzufrieden zurück. »Dann sind sie Dichtkunst. Das hat mich Herr Walther selbst gelehrt.«

Kapitel 45
    D er Patriarch von Aquileja war für einen lange überfälligen Besuch in Passau, um in seinem alten Bistum nach dem Rechten zu sehen, was es für Walther erheblich einfacher machte, ihm einen Besuch abzustatten. Er überredete Markwart, mit ihm zu kommen, teils, weil sein Freund es immer noch übelnahm, für nicht gut genug befunden worden zu sein, um die kleine Kaiserin durch das Reich zu geleiten, teils, weil er viel zu guter Stimmung war, um alleine zu reisen, und für Markwart konnte er problemlos eine Erlaubnis bei Beatrix erreichen.
    »Du hast das unanständigste Grinsen auf dem Gesicht, das ich je bei einem erwachsenen Mann gesehen habe«, sagte Markwart. »Heißt das, zwischen dir und deinem Mädchen ist endlich wieder alles geregelt?«
    »Es heißt, dass die Welt ein wundersamer Ort ist, mein Freund, an dem die übelsten und die herrlichsten Dinge geschehen können und wo hin und wieder, wenn man sehr viel Glück hat, ein Neuanfang möglich ist. Wie du selbst wissen solltest.«
    »Ich weiß, wie du aussiehst, wenn du mit jemandem im Bett warst, an dem dir etwas liegt, und wie du aussiehst, wenn du in eine deiner neuen Ideen vernarrt bist. Deine Miene ist gerade eine gefährliche Mischung aus beidem. Bitte denk daran, dass du immer noch nicht über Wasser gehen kannst, und ich schon gleich gar nicht. Was genau willst du beim Patriarchen?«
    »Was ich immer bei ihm will«, entgegnete Walther. »Ihm meine Lieder spielen und hören, was er selbst Neues zu erzählen hat. Mit etwas Glück gibt es noch einen Pelzmantel, dann kannst du meinen alten bekommen.«
    »Als Mitglied des kaiserlichen Haushalts habe ich bereits einen Mantel für den Winter, wenn auch nur aus Schafsfell«, sagte Markwart, aber von da an galt es als ausgemacht, dass er Walther begleiten würde. Auf dem langen Weg nach Passau nahm sich Markwart löblich zusammen und fragte nicht nach Einzelheiten, doch er versuchte mehr als einmal, ihn bezüglich seiner Pläne für die Zukunft auszuhorchen. »Du wirst zu alt für das ständige Herumziehen, mein Freund. Es ist an der Zeit, sich niederzulassen, das hast du selbst einmal zugegeben. Gewiss, der Tod von König Philipp hat alles verändert, aber bei all den Liedern wider den Papst, die du für Otto singst, könnte er dir inzwischen so gewogen sein, dass er bereit ist, dir ein Lehen zu geben. Vor allem, wenn du wieder Heiratspläne hegst.«
    Es lag Walther auf der Zunge, zu sagen, dass er lieber auf einen Kreuzzug ziehen würde, als

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