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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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anderer«, bestätigte Walther so unbekümmert wie möglich. »Habt Ihr nicht gehört, wie Kaiser Friedrich mich nennt? Ich bin eine Nachtigall.«

    Eine kleine Nebenpforte wurde einen Spaltbreit geöffnet und sofort wieder hinter Walther geschlossen. Den grimmigen Mienen von Ottos Leuten nach zu urteilen, waren sie nicht gnädig gestimmt, und das wohl nicht nur deswegen, weil ihnen die Mägen knurrten.
    »Ich habe eine Nachricht für den Kaiser«, sagte Walther.
    »Ich kenne Euch doch«, gab einer der Soldaten zurück. »Seid Ihr nicht der Sänger, dieser Vogelweidenmensch, der die Sprüche wider den Papst macht? Was tut Ihr denn beim Pfaffenkönig?«
    Walther zwinkerte ihm zu; nie war ihm eine unbeschwerte Miene schwerer gefallen, aber Judiths Leben konnte davon abhängen. »Das, mein Freund, geht nur mich und den Kaiser etwas an.«
    Der Soldat machte ein pfiffiges Gesicht. »Ich verstehe«, sagte er und führte Walther zum größten Zelt an der Anlegestelle, wo in einem Prunkgewand, das für einen festlichen Empfang genau das rechte war, Otto wartete.
    »Herr Kaiser«, sagte Walther und kniete in aller Ehrfurcht vor ihm nieder, »ich bin Gottes Bote.«
    »Für das Lied habe ich schon bezahlt, wie ich mich erinnere«, knurrte Otto. »Was zum Teufel tut Ihr hier in Konstanz?«
    »Was tut ein wahrer Diener seines Herrn an jedem Ort der Welt? Ihm dienen. Vorausschauend dienen, nicht erst immer zu spät kommen, um seinen Herren noch zu nutzen. Euer Gnaden, ich war hier, um zu Eurem Empfang zu singen und zu spielen, weil die Bürger von Konstanz sich das als angenehme Überraschung für Euch dachten. Als auf einmal der Pfaffenkönig auftauchte, hätte ich die Stadt verlassen können, aber ich dachte mir, ich packe die Gelegenheit beim Schopf und bleibe. Ich habe für ihn gesungen, und er war so angetan, dass er mir eine Stelle in seinem Gefolge angeboten hat …«
    »Und das wagt Ihr mir zu sagen, Ihr undankbarer Verräter?«
    »… die ich angenommen habe, um für Euch ein Auge auf ihn halten zu können, mein Kaiser«, erwiderte Walther unbeirrt und ignorierte den Schweiß, der ihm den Rücken hinunterrann. »Wer achtet schon auf einen Sänger? Ich werde alles über seine Pläne herausfinden und Euch dazu benachrichtigen können, noch ehe er sie in die Tat umsetzen kann. Ihr werdet sehen, in wenigen Wochen ist der Zaunkönig in Euren Händen, und ich werde derjenige sein, der ihn Euch ausliefert.«
    Otto runzelte die Stirn, aber er sagte nichts. Dafür bemerkte einer seiner Gefolgsleute, der Walther nie besonders gemocht hatte, der elende Verräter wolle nur seinen Verrat entschuldigen, damit es ihm nicht an den Kragen ginge.
    »Wenn ich um meinen Hals Sorgen hätte, dann wäre ich jetzt immer noch auf dem Festmahl, und Ihr, mein Kaiser, hättet nie erfahren, dass ich überhaupt in Konstanz bin«, sagte Walther sachlich. »Stattdessen stehe ich hier vor Euch. Welchen anderen Grund kann ich haben, als Euch dienen zu wollen? Und ganz offen, es wäre sehr dumm von mir, dem Pfaffenkönig nachzulaufen. Er hat kein Geld, hat noch nie einen einzigen Schwertschlag getan und wird zweifellos mit eingezogenem Schwanz davonrennen, sobald er diese uneinnehmbare Stadt mit ihren hohen Mauern verlassen muss. Euer Gnaden, wann hätte ich je auf einen Verlierer gesetzt?«
    Glaub mir, fügte er in Gedanken beschwörend hinzu, glaub mir, glaub mir, glaub mir!
    Durch Ottos Körper ging ein Ruck. Er stand ein wenig entspannter da, seine Stirn glättete sich. »Da ist etwas dran«, sagte er. »Nun gut. Bleibt also in Konstanz und habt ein Auge auf den Pfaffenkönig für mich. Was für Lieder habt Ihr denn für ihn gesungen?«, fragte Otto nun deutlich wärmer. »Liebeslieder, wie? Der Bengel ist ja in dem Alter, wo er einem ständig steht, und von Euren Liedern gegen seinen werten Vormund in Rom hat er nichts.«
    »Ihr habt ihn durchschaut, mein Kaiser. Er hat in der Tat Liebeslieder verlangt.«
    »Dann wäre es doch nur passend«, sagte Otto gönnerhaft, mit dem alten, hinterlistigen Unterton, der verriet, dass er dabei war, einen seiner demütigenden Scherze zu machen, »wenn er die Muse Eurer Lieder kennenlernen würde. Ich habe die Giftmischerin dabei, vielleicht kann sie ihm ja etwas in einen Becher tun? Es sollte Euer Schaden nicht sein!« Er lächelte böse. »Aber beschwert Euch nicht, wenn er enttäuscht ist. Ich schleppe das Weib seit Nordhausen in meinem Tross herum, weil sie mir den Feldscher verscheucht hat mit ihrem

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