Das Spiel der Nachtigall
anvertraute, die ohnehin zur Armee des Kaisers stoßen wollen und damit de facto des Kaisers Leute sind, dann kann er das tun. Ja, diese Ritter sollen die Prinzessin den Rest ihres Weges zu Herzog Philipp geleiten. Damit sind wir sie los, aber auf eine Weise, die mir keinen Kummer mit dem Heiligen Vater einbringt.« Seine Stimmung verbesserte sich etwas. »Und sagt dem Haushofmeister, er möge es bei dem Fest für die Prinzessin an nichts fehlen lassen. Ich will hoffen, dass die Sänger ein paar angemessene Lieder fertigbringen, möglichst etwas Neues, das man als Tribut für sie betrachten kann. Schickt mir Herrn Reinmar und Herrn Walther!«
Bis die beiden ihm ihre Aufwartung machten, hatte Friedrich Zeit genug, ein weiteres Urteil zu sprechen, über eine Streitfrage zwischen einem Kloster und einem Ritter über einen Weinberg. Es überraschte ihn, dass seine beiden Sänger sich bei ihrem Eintreffen nicht sofort bei ihm darum bewarben, das erste Lied singen zu dürfen; sie mussten inzwischen von der Ankunft der Prinzessin gehört haben. Mit etwas Glück hatten sie sich bereits an das Verfassen neuer Verse gemacht. Unter seinem Vater hatte der Hof zu Wien einen gewissen Ruf für die Pflege der Musen erlangt, und Friedrich war gesonnen, diesen zu erhalten.
Es entging ihm nicht, dass Walther und Reinmar es peinlichst vermieden, einander anzuschauen, als sie den Palas betraten. Ihre Rivalität fand er sowohl belustigend als auch nützlich, spornte es sie doch beide zu höchsten Leistungen an und verhinderte, dass einer von beiden auf die Idee kam, an anderen Höfen das Glück zu suchen.
Walther, der sonst immer geradezu lächerlich selbstsicher und keck wirkte, war heute sehr bleich. Wahrscheinlich eine durchzechte Nacht, dachte Friedrich mitfühlend: Manchmal bezahlte man die Freuden des Weins mit einer schweren Münze. Was ihn jedoch verblüffte und dann zu einem Lächeln veranlasste – dem ersten an diesem ganz und gar nicht erfreulichen Tag –, war, dass der biedere alte Freund seines Vaters ebenfalls weiß wie ein Laken aussah.
»Herr Reinmar«, konnte Friedrich nicht widerstehen zu fragen, »geht es Euch heute nicht gut?«
»Euer Gnaden …«, murmelte Reinmar mit gequälter Stimme. Ganz offensichtlich litt er sehr darunter, etwas so Unvollkommenes wie einen brummenden Kopf gestehen zu müssen. »Euer Gnaden, man hat Euch bestimmt bereits gemeldet, was in der gestrigen Nacht in Wien geschehen ist.«
Friedrich kniff die Augen zusammen. »Nun, selbstverständlich hat man das. Ich habe die Rädelsführer bereits zum Hängen verurteilt. Ein wirklich bedauerliches Ereignis, vor allem jetzt. Die Prinzessin steht uns nun einmal ins Haus, und ich will nicht, dass man behauptet, der Hof zu Wien habe sie in irgendeiner Hinsicht ärmlich empfangen. Nicht, dass ich Eure alten Lieder nicht schätze, doch ein oder zwei neue wären unter den gegebenen Umständen wahrlich angenehm. Beachtet nur, dass sich darin nichts Verfängliches findet. Immerhin ist sie keine Jungfrau mehr, sondern bereits Witwe. Und obwohl der Kaiser von Ostrom ihr Onkel ist, hat er doch ihren Vater gestürzt, also sollte weder der eine noch der andere direkt gepriesen werden. Etwas Allgemeines über ihre erhabene Familie, Ihr versteht?«
Walther machte ein Geräusch, als ersticke er. Wenn er sich an Ort und Stelle übergab, dann würde Friedrich ihn nicht am Gastmahl teilnehmen lassen. Ganz gleich, wie wacker ein Ritter zechte, am nächsten Tag hatte er seinen Mann zu stehen. »Herr Walther«, sagte Friedrich scharf, »für Euch gilt das Gleiche. Es sei denn, Ihr haltet Euch für unfähig, in den nächsten Tagen etwas zu tun, das diesem Hof zur Zierde gereicht!«
Walther sagte nichts. Stattdessen schüttelte er den Kopf.
»Was soll das heißen? Ihr seid nicht fähig, oder nein, Ihr haltet Euch nicht für unfähig? Eure Rede sei ja oder nein, Herr Walther, so heißt es in der Bibel, also haltet Euch daran.«
»Ich halte mich nicht für unfähig«, sagte Walther tonlos. Zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, schaute er direkt zu Reinmar, der wiederum zu Boden starrte. Irgendetwas war an dem Blick, das über die gewöhnliche Eifersucht und Stichelei hinauszugehen schien.
»Gibt es sonst noch etwas, das Ihr mir sagen wollt, Herr Walther?«
»Nein, Euer Gnaden.«
»Nun, dann erwarte ich Euren Einfallsreichtum beim Fest. Gehabt Euch wohl, meine Herren.«
* * *
»Walther«, begann Reinmar, nachdem sie ihre Verbeugungen gemacht hatten und
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