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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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paar ebenfalls anwesenden edlen Herren aufgegriffen. Es wunderte Walther nicht, dass sich Ritter in der Schenke befanden: Wegen der Kreuzfahrtvorbereitungen kamen täglich mehr nach Wien. Nicht alle waren damit zufrieden, in den zugigen Ecken der Burg ihr Glück zu versuchen. Gerade wollte Walther Reinmar damit necken, selbst in das Lied mit einzustimmen, als eine Frau die Schenke betrat, die ihrer Miene nach nicht vorhatte, einen vergnügten Abend zu verbringen. Sie sah die Ritter, die sich bereits ein Kreuz an die Mäntel hatten sticken lassen, und hielt geradewegs auf sie zu.
    »Ihr Herren«, sagte sie mit einer durchdringenden Stimme, die das schmeichelhafte Singen von Walthers Maienlied schnöde unterbrach, »Ihr wollt das Heilige Land von den verfluchten Sarazenen und Juden befreien, aber Ihr lasst es zu, dass gute Christenmenschen hier in der Heimat verleumdet und vor Gericht gezerrt werden wie unser Herr Jesus von Judas?«
    Die Magd, die Walther und Reinmar den Wein brachte, meinte ungeduldig: »Gib schon Ruhe, Brunhild. Dein Mann hätte halt nicht bei dem Juden stehlen sollen. Wer so eine gute Stelle hat, sollte seine Finger bei sich behalten.«
    Doch die Ritter waren bereits aufmerksam geworden. »Wer ist verleumdet und vor Gericht gezerrt, gute Frau?«, fragte einer von ihnen.
    Sie warf sich in die Brust. »Mein armer Gemahl!«, rief sie und raufte sich die Haare. »Hat sein Lebtag niemandem etwas getan. Wenn es uns nicht so schlecht gegangen wäre, dann hätte er nie eine Stelle bei einem der Gottesmörder angenommen, aber unsere Kinder waren krank, und Arzneien sind so teuer. Ein Christ, der hätte dafür Verständnis gehabt, aber der Jude, der hat meinen Wilhelm erst schuften lassen und dann behauptet, er hätte ihn bestohlen! Was ist das für eine Gerechtigkeit, frage ich Euch, wenn es genügt, dass eine Judenlüge einen Christenmenschen vor Gericht bringt?«
    »Stimmt das?«, fragte Walther die Magd und schaute wohlgefällig auf ihren Busen. Wie er von der Wirtin Mathilde wusste, zeigten alle Wirtinnen und Schankmägde gerne mehr davon, wobei ihnen die warme Schenkenluft half, ihre Formen appetitmachender darzustellen, als das bei den Kleidern der Frauen bei Hofe möglich war. Männer bestellten und zahlten mehr bei diesem Anblick.
    Sie zuckte die Achseln. »Dabei war ich nicht, aber ihr Mann hat schon ein paarmal versucht, hier die Zeche zu prellen.«
    »Was für ein Jude ist das denn, der Christen als Knechte hat?«, fragte ein weiterer der Ritter. »Das ist auf keinen Fall so, wie es sein sollte. Wo kommen wir denn da hin!«
    »Er heißt Salomon und ist der Münzmeister des Herzogs«, sagte Brunhild. »Er ist der Dieb, sage ich Euch! Er und kein anderer. Hat bestimmt auch unseren guten Herzog bestohlen. Die neue Synagoge in der Stadt, die hat er bezahlt – mit wessen Geld, das möchte ich wissen! Aber wer wird als Dieb beschuldigt? Mein armer Wilhelm!«
    Etwas kam Walther an dem Namen vertraut vor. Salomon, der Münzmeister. Der Münzmeister Salomon …
    Mittlerweile waren auch andere Schankgäste an den Klagen der Frau interessiert. »Mein Vetter hat beim Bau der Synagoge geholfen«, sagte einer. »Er ist jedenfalls mit gutem Geld bezahlt worden.«
    Vetter Salomon, sagte eine weibliche Stimme in Walthers Erinnerung, und er erstarrte. Das war es. Der Tag, an dem sich so viel geändert hatte, der Tag, an dem der alte Herzog gestorben war. Das rothaarige Mädchen. Judith.
    »Eigentlich ist es doch ein Wahnsinn«, sagte einer der Ritter, »dass wir im Heiligen Land unser Blut vergießen sollen, und hier sitzt so ein Jude im Fett und baut Tempel, in denen unser Herr Jesus verhöhnt wird!«
    »Ganz recht!«, stimmte Brunhild zu. »Das Silber, was er hat, das sollte ohnehin Christen gehören. Wie kann mein Wilhelm da ein Dieb sein!«
    »Ich wette, der hat Truhen voller Geld daheim, der Münzmeister Salomon«, sagte einer der ärmlicher wirkenden Gäste.
    »Sie haben unsern Herrn Jesus umgebracht«, rief der Ritter. »Es ist Gottes Werk, ihn zu rächen. Nicht nur im Heiligen Land, sondern auch hier.«
    Walther hatte öfter schon Schlägereien erlebt, in Schenken und an anderen Orten. Er hatte Hass erlebt. Doch was sich hier in dieser Schenke zusammenbraute, das war ihm noch nie begegnet. Wut und Gier stand auf mehr und mehr Gesichtern geschrieben, und nun standen die Ritter auf, nachdem sie ihre Krüge schnell ausgeleert hatten.
    »Wo lebt dieser Jude?«, fragte der Älteste von ihnen.
    »Reinmar«,

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