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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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und die Stimme war klangvoll und warm, als er zu sprechen begann. Was Irenes Neugier jedoch noch steigerte, war, dass er sich nicht nur vor ihr verbeugte, sondern auch etwas in der Art sagte, dass dort, wo die Vergangenheit Wunden geschlagen hatte, eines Tages auch Heilung erfolgen würde; dass nur, wo Vergebung erfolgte, auch eine Zukunft sein konnte. Es schien ihr eine eindeutige Anspielung auf ihr eigenes Schicksal zu sein, darauf, dass sie bald in die gleiche Familie einheiraten würde, die ihr früheres Zuhause und ihre Familie zerstört hatte. Zum ersten Mal wurde so etwas vor ihr und in der Öffentlichkeit ausgesprochen, und sie fühlte sich Herrn Walther ob seiner Kühnheit und Ehrlichkeit auf Anhieb gewogen. Ob allerdings seine Hoffnung, Heilung könne auch durch die Verursacher der Wunden geschehen, sich erfüllen würde, das wagte sie zu bezweifeln. Trotzdem war sie froh, wenigstens für die Dauer eines Liedes, von dem sie leider wegen der Melodie viel weniger verstand als von den einführenden Worten, nicht mehr so tun zu müssen, als sei sie freiwillig hier und nichts als eine frohe junge Braut auf dem Weg in die Arme ihres Herzallerliebsten.
    »Wie ich sehe, findet das Lied Euren Gefallen«, sagte Bischof Wolfger, als sie dem Troubadour applaudierte. »Ich muss zugeben, dass ich selbst große Freude an Gesang und Dichtkunst unserer Ritter habe. War nicht König David selbst auch ein Sänger, und singen wir die Psalmen nicht immer noch? Es ist ein höchst gottgefälliger Zeitvertreib.«
    »Das ist es. Kennt Ihr den Sänger?«
    »Der hochwürdige Bischof versucht ihn mir schon seit geraumer Zeit zu stehlen«, warf Herzog Friedrich ein; obwohl er lächelte, um zu zeigen, dass er nur scherzte, lag ein gewisser Biss in seiner Stimme. »Das nenne ich höchst unchristlich.«
    »Im Gegenteil«, parierte der Bischof. »Ich möchte Herrn Walther mitnichten nur bei mir hören, sondern finde, dass er und alle anderen seines Schlags ihre Kunst weiter an Eurem Hof ausüben sollten, aber eben auch an so manchen anderen. Nur durch ständige Vergleiche lernt man dazu.«
    Für einen Moment vergaß Irene, dass sie wenig mehr als eine Geisel war, entschlossen, ihre neue Umgebung zu verabscheuen, und tat stattdessen, was sie am Hof in Palermo getan hätte, wenn zwei normannische Edelleute um einen Troubadour stritten.
    »Mir scheint, Ihr verdient beide, dass ich den Bischof beim Wort nehme und Herrn Walther bitte, seine Kunst an meinem eigenen Hof auszuüben, um ihm mehr Vergleichsmöglichkeiten zu geben und Euch so wieder in christlicher Eintracht miteinander zu verbinden.«
    Erst, als sie beide lachten, stürzte die Wirklichkeit wieder auf Irene ein: die Wirklichkeit, dass sie keinen eigenen Hof hatte, nicht wusste, ob Philipp von Schwaben die Dichtkunst liebte oder verabscheute, ob er vorhatte, ihr eine Wahl bei der Zusammenstellung ihrer Höflinge zu lassen, oder im Gegenteil genau wie sein Bruder völlig unzugänglich im Umgang mit seiner Frau sein würde.
    »Nun, welcher Sänger würde nicht überglücklich sein, auf der Hochzeit einer so anmutigen Dame zu singen?«, sagte Friedrich aufgeräumt, doch Irene war nicht länger nach Scherzen zumute. Sie schaute wieder zu der Magistra hinüber, während die Dienerschaft auf einer großen Zinnplatte einen Fasan hereinschaffte, der nach der Zubereitung wieder mit seinen Federn bestückt worden war. Doch die Magistra saß nicht mehr auf ihrem Platz. Sie musste während des Vortrags von Herrn Walther gegangen sein.

Kapitel 11
    A ls Dietrich von Meißen zum ersten Mal jemanden über sich tuscheln hörte, auf dem Markgrafen von Meißen müsse ein Fluch liegen, weil er die Gabe habe, jeden Glücksfall in einen Unglücksfall zu verwandeln, da stieß er den Betreffenden zu Boden und versetzte ihm einen Tritt in den Magen. Anschließend ließ er sich Branntwein bringen und grübelte darüber nach, ob das Gerede vielleicht der Wahrheit entsprach.
    Er hatte allen Grund dazu: Obwohl er der jüngere Sohn war, hatte seine Mutter den Vater überreden können, Dietrich und nicht dessen älteren Bruder Albrecht zum Erben der Markgrafschaft zu machen. Doch statt sich damit abzufinden, wie ein pflichtbewusster Sohn das eben tun sollte, hatte Albrecht die Waffen gegen seinen eigenen Vater erhoben und diesen mit dem Schwert an der Kehle dazu gezwungen, ihn wieder als Ersten in die Erbfolge einzusetzen. Alles, was Dietrich der Einsatz seiner Mutter letztendlich eingebracht hatte, waren die

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