Das Spiel der Nachtigall
alles gesagt, was ich sagen will. Wenn dir deine Markgrafschaft lieb ist, dann hältst auch du den Mund, bis ich dir sage, dass du ihn wieder öffnen kannst. Führe dich gut in Frankfurt, Dietrich, und wir brauchen die Hochzeit mit meiner Tochter nicht länger aufzuschieben. Sie wird dein sein. In Meißen.« Der Mund seines Schwiegervaters weitete sich zu einem Grinsen. »Das wird eine Feier! Weißt du, meine eigene Hochzeit hat mich wieder auf den Geschmack gebracht. Niemand soll behaupten, dass die Tochter des Landgrafen von Thüringen wie ein Bürgerweib unter die Haube kommt, o nein. Wir werden uns ansehen, was die Staufer in Frankfurt tun, und wenn die Dinge so laufen, wie ich es mir wünsche, dann, mein Sohn, werde ich dir sogar ihre Musikanten bieten können.«
* * *
Im Tross einer byzantinischen Fürstin nach Frankfurt zu reisen, wäre unter anderen Umständen ein Vergnügen für Walther gewesen: Er war immer neugierig auf die Welt und alles, was er noch nicht kannte. Außerdem hatte Bischof Wolfger erwähnt, dass Wolfram von Eschenbach nach Frankfurt käme, und gleich nach dem Dichter des neuen Nibelungenliedes war dies der Sänger, den Walther am meisten kennenlernen und mit dem er sich liebend gerne messen wollte. Ja, sogar die Aussicht darauf, sowohl den Bischof als auch den Herzog mit Auskünften übereinander abzuspeisen und sich nach Möglichkeiten umzuschauen, die sich ergaben, falls keiner von beiden aus dem Heiligen Land wiederkäme, würde eher herausfordernd und spannend als unangenehm sein. Wenn man ihm aber vor wenigen Wochen gesagt hätte, dass die Gesellschaft einer schönen rothaarigen Frau für ihn eine Qual wäre, dann hätte er lauthals gelacht und erwidert, dieser Art von Qual ließe sich leicht abhelfen, entweder durch eine andere Frau oder den Einsatz der eigenen Hand.
Manchmal dachte er, dass er trotz seiner stetig falschen Altersangaben zu lange ein Kind geblieben war.
Seitdem Judith ihn beschuldigt hatte, Blut klebe an seinen Händen, hörte er ständig ihre Stimme in seinem Kopf. Natürlich hätte er den Irrtum aufklären können, doch wenn man es recht bedachte, war es keiner. Gewiss, er hatte keine Hand an einen ihrer Verwandten gelegt. Aber er hatte auch nichts getan, um ihnen zu helfen, und er würde nie den Augenblick vergessen, in dem ihn die Angst so sehr gepackt hatte, dass er nur an sein eigenes Leben hatte denken können. Also versuchte er nicht, sich herauszureden. Er hatte gehofft, das Gastmahl für die Prinzessin dazu zu nutzen, um Judith auf die beste Art, die ihm gegeben war, zu sagen, wie leid ihm alles tat. Doch sie blieb nicht lange genug, um sein Lied in voller Länge zu hören; der Blick, den sie ihm zuwarf, ehe sie ging, hätte nicht verächtlicher sein können. Danach wäre es das Vernünftigste gewesen, sich von Judith fernzuhalten, und sogar höchst einfach, denn Herzog Friedrichs Abreise nach Frankfurt verzögerte sich noch etwas; er musste seinem Bruder Leopold die Zügel übergeben und dafür sorgen, dass ihn sein Teil des Kreuzfahrerheers in Tirol erwartete, wenn er wieder aus Frankfurt zurückkehrte, damit er die Alpen überqueren konnte, ohne noch einmal über Wien zu reisen. Walther hatte also vor, Friedrich zu bitten, an seiner Seite bleiben zu dürfen, bis er die Ritter sah, die zum neuen Geleitschutz der Prinzessin und ihres kleinen Gefolges gehörten. Sofort schnappte er sich den Haushofmeister.
»Hat der Herzog nicht den Befehl gegeben, die Rädelsführer aufhängen zu lassen, die für den Tod des Münzmeisters verantwortlich waren?«
»Gewiss, aber doch nicht die Kreuzfahrer«, sagte der Haushofmeister gereizt. »Herr Walther, wenn Ihr Wert darauf legt, je wieder ein gutes Quartier zugeteilt zu bekommen, dann lasst Ihr mich jetzt augenblicklich los.«
Es war ihm gar nicht bewusst geworden, dass er den Mann am Kragen gepackt hatte, so unsinnig das auch war: Weder konnte der Haushofmeister etwas dafür, noch hätte die Auskunft Walther verwundern sollen. Die Kleinen hängt man, dachte er, die Großen lässt man laufen. So war es in der Welt nun einmal. Auch deswegen wollte er lieber zu den Großen gehören.
Die Ritter hatten, anders als die Menge, Erfahrung im Töten, und er war bereit, zu wetten, dass sie für die meisten Toten im Haushalt des Münzmeisters direkt verantwortlich waren. Bei der Vorstellung, sie mit Judith über Wochen zusammen reisen zu wissen, wurde ihm speiübel.
Er fand seinen Weg in die Kemenate der Byzantinerin, doch
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