Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
die Vergangenheit näher ist als die Gegenwart.
»Ist sie verfügbar?«
»Natürlich nicht. Bischof Peter ist doch unterwegs, und er nimmt dazu stets die Kutsche.«
Ich ließ ihm Zeit. Ein paar Momente später runzelte sich seine Stirn. »Wieso bin ich dann hier?« Er war wieder so verwirrt wie zuvor.
»Bischof Peter ist nicht mehr im Amt. Sein Nachfolger ist Johann, Graf von Werdenberg.«
»Und Seine Gnaden reist auf dem Pferd«, sagte Albert wie jemand, der etwas aufsagt, das er aus den tiefsten Tiefen seines Gedächtnisses hervorholen musste – und das ihn offenbarbetrübte. »Er braucht keine Kutsche und keinen Kutscher. Hast du das verstanden, alter Narr? Wehe, dem Rappen wird auch nur ein Haar gekrümmt. Dein Platz ist jetzt im Pferdestall.«
»Heute Abend nicht. Heute fährt Bischof Peter noch einmal aus.«
Albert blinzelte. »Bischof Peter ist zurück?«
»Nein, aber jemand, der seine Kutsche benutzen wird.« Er grinste plötzlich, ein Sonnenstrahl in einem Wolkenloch. »Du«, sagte er, »du willst die Kutsche benutzen.«
»Natürlich nur mit dem zugehörigen Kutscher.«
»Das bin ich.«
»So ist es.«
Sein Lächeln verschwand. »Das geht nicht«, erwiderte er mit der knappen Bestimmtheit, die früher charakteristisch für ihn gewesen war. »Es ist die Kutsche von Bischof Peter. Niemand außer ihm darf in ihr reisen.«
»Kommen Sie, Albert, ich brauche die Kutsche und ich brauche Sie.«
»Ich bin der Kutscher des Bischofs.«
»Er hat mich früher in der Kutsche fahren lassen, wenn es wichtig war.«
»Das ist nicht wahr.« Er musterte mich, als hätte er mich dabei erwischt, wie ich ihm das Fleisch vom Brot zu stehlen versuchte. »Du reitest immer nebenher.«
Ich seufzte. Wie verwirrt er auch war, über die Dinge, wie sie früher gewesen waren, ließ er sich nicht täuschen.
»Es ist die Kutsche Seiner Exzellenz, Bischof Peter von Schaumberg«, erklärte Albert. »Es ist das Wappen Seiner Exzellenz. Es ist der Kutscher Seiner ...«
»Ist das Wappen noch dran?«, unterbrach ich ihn.
Sein Mund arbeitete. »Nein«, sagte er dann mit Mühe. »Nein ... wo ist es denn hingekommen? Jetzt hängt das neue Wappen dran, das von ... von ...«
»Sehr gut. Wissen Sie, wozu ich die Kutsche brauche?«
»Es ist die Kutsche von Bischof Peter.«
»Das Wappen des Bischofs garantiert mir, dass ich auch nach dem Torschluss noch in die Stadt hereingelassen werde.«
»Sie würden es nicht wagen, Bischof Peter draußen stehen zu lassen!«
»Und Bischof Johann auch nicht.«
»Nein«, sagte er, weniger überzeugt, »den auch nicht.«
»Wenn Bischof Peters Wappen nicht mehr daran ist und Bischofjohann die Kutsche nicht benutzt, dann kann ich sie doch nehmen, oder?«
»Es ist die Kutsche von Bischof Peter.«
Ich gab auf. Mit einem Stein zu diskutieren hätte mehr Erfolgsaussichten gehabt.
»Gut, Albert. Ich brauche Sie und die Kutsche heute Abend nach dem Vesperläuten. Ich werde nebenher reiten.«
Sein Gesicht leuchtete auf. »Holen wir Bischof Peter ab, ja?«
»Nein, aber wir kümmern uns um etwas, das Bischof Peter sehr am Herzen läge, wenn er hier wäre.«
»Wir kümmern uns? Du meinst: du und ich, Bub?«
»Ja, wir beide.«
Er umarmte mich so plötzlich, dass ich zusammenzuckte. Was er dann sagte, überraschte mich noch mehr als die stürmische Umarmung.
»All die Jahre sage ich schon zu Bischof Peter: Seine Exzellenz sollten mich dem Buben helfen lassen. Ich kann das. Und er sagt: Albert, du bist meine Beine; Peter ist meine Augen und Hände. Jeder tut das, wohin Gott ihn gestellt hat. Und der junge Strassvogt?, frage ich. Und er sagt: Gott hat den Platz noch nicht gefunden, an den er Gregor stellen will.« Er strahlte mich an. »Und jetzt sagt der Bischof doch, dass ich dir helfen soll?«
»Ja«, log ich. »Er meint, dass ich es diesmal nur mit Ihrer Hilfe schaffe.«
Er wirbelte herum und tanzte einen ungeschickten Tanz, bis er strauchelte und in meine Arme fiel. Er keuchte angestrengt. Aus der Nähe sah ich eine ganze Anzahl von Nissen in seinem langen weißen Haar.
»Der Bischof sagt außerdem, dass wir beide vorher baden müssen.«
Er hielt sich an mir fest und rappelte sich mühsam auf. Die Stallburschen, die uns beobachteten, grinsten und machten Kussgeräusche in unsere Richtung.
»Warum denn das?«, fragte Albert.
»Geheimnis.«
»Wenn wir zusammenarbeiten, dürfen wir keine Geheimnisse haben.«
»Geheimnis des Bischofs.«
»Ach so. Das ist was anderes.« Er hielt mir eine Hand
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