Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
hin mit Fingernägeln, die so lang und schmutzig waren wie die Klauen eines Bären. Ich schlug ein. Beinahe hätte ich gesagt: Freunde und Partner. Aber ich schluckte es hinunter. Es genügte schon, dass er ausgerechnet den Grundsatz für partnerschaftliche Zusammenarbeit erwähnt hatte, den Gregor und ich andauernd verletzten. Als wir den Stall verließen, sah er mich plötzlich betroffen an.
»Hat der Bischof etwa befohlen, du sollst in der Kutsche sitzen?« Er suchte ängstlich in meinem Gesicht nach der Antwort. »Und ich habe mich geweigert. Aber ich wusste es doch nicht!« Er schlug sich grob an die Brust. »Verdammt, ich bin ein unbrauchbarer alter Narr. Ich schäme mich. Es tut mir Leid, Exzellenz, so Leid.«
»Nein, Albert, er hat gesagt, ich soll nebenher reiten. Ich hatte es bloß vergessen.«
Erleichtert ließ er die Hand sinken und lächelte. »Ich habe keinen Fehler gemacht?«
»Nein, Albert.«
Er grinste breit und schlug mir mit der Hand auf den Rücken, dass ich meinte, alle seine Finger müssten brechen. »Darum hat der Bischof auch gesagt, ich soll dabei sein! Damit ich dich erinnere, wenn du was vergisst.«
»So ist es, Albert.«
Stolz marschierte er ein paar Schritte neben mir her. Dann hielt er inne. »Wohin gehen wir eigentlich?«
Ich wappnete mich mit noch etwas mehr Geduld. »Baden.« Er lachte unsicher. »Jetzt schon? Ist das wirklich nötig? Man kann krank werden davon.«
»Ich bade auch mit, keine Gefahr.«
»Also gut.« Er nahm meine Hand mit einem so kindlichen Vertrauen, dass ich einen Kloß im Hals spürte. »Wir baden gemeinsam. Keine Gefahr.«
Während ich ihn zum Eingang des Palastes hinüberbrachte, fragte er nicht ein einziges Mal, was es eigentlich war, an dem er gemeinsam mit mir arbeiten sollte. Ich hingegen fragte mich, ob ich den verwirrten alten Burschen nicht einer zu großen Gefahr aussetzte. Doch seine glänzenden Augen und die plötzliche Farbe in seinen Wangen ließen mich meine Bedenken beiseite schieben. Alles, was er zu tun hatte, war, die Kutsche aus dem Tor zu lenken, sie nicht zu verlassen, bevor ich zurück war, und danach wieder in die Stadt zu fahren. Was immer es war, das Hilarius Wilhelm mir zeigen wollte, ich würde höllisch aufpassen, dass Albert keinen Schaden nahm.
»Du musst dir eine Frau suchen, Bub«, dröhnte Albert plötzlich. »So ein junger Kerl wie du braucht ein Weib.«
Ein Hoch auf ein funktionierendes Gedächtnis. Ich suchte nach einer Antwort, doch er wartete nicht darauf. »Hast du meine Enkelin schon kennen gelernt?«
Den Rest des Tages verbrachte ich mit der Suche nach Maria. Ich sprach in allen Kirchen der Stadt vor, in denen sie Asyl gesucht haben konnte; ich überredete den Propst von Sankt Ulrich, mir ein Gespräch mit der Priorin der Abtei zu ermöglichen; ich fragte in den Seelhäusern und sogar im Hospital. Der Nebel hatte sich endgültig aus den Gassen verzogen und stattdessen den Himmel mit einem einheitlichen, stumpfen Weiß bedeckt, in dem die Sonne ein hellerer Fleck war. Kühl war es jetzt nur noch in den schmalen Gässchen und Durchlässen. Auf den breiteren Hauptgassen und Plätzen hatte sich der Sommer mit einem warmen Lufthauch zurückgemeldet. Trotz des verschwundenen Nebels war ich vorsichtig, als ich dasJakoberviertel betrat. Ich hatte kein Verlangen danach, nochmals mit Lutz zusammenzutreffen, denn ich war mir sicher, dass dieses Mal kein zweihundert Pfund schwerer Schutzengel mit einem Sabberfaden am Kinn zu meiner Rettung eingreifen würde. Der Bettlerkönig, der in einem Verschlag beim Jakobertor hauste und sich seine Auskunft teuer bezahlen ließ, hatte Maria ebenfalls noch nie gesehen; er versprach für ein weiteres großzügiges Almosen, jemanden zum Bischofspalast zu senden, falls sie bei ihm vorsprechen würde, um einen Platz zum Betteln zugeteilt zu bekommen. Ich hatte nicht vor, mich auf dieses Versprechen zu verlassen.
Danach erwog ich für einen winzigen Augenblick, die Badehäuser aufzusuchen, brachte es jedoch nicht übers Herz. Wenn sie sich auf diese Weise durchs Leben schlug, würde ich es wissen, sobald alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft waren.
»Welche anderen Möglichkeiten hast du denn noch?«, meinte ich Janas Stimme voller Anteilnahme zu hören. Ich war fast erstaunt, dass sie es war, die sich ständig in meinen Gedanken meldete, und nicht meine verstorbene Frau, deren Namen unsere Tochter trug. Vielleicht missbilligte meine Frau Maria meine Suche und meine Absichten;
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