Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
hingen, das der Hohepriester vorn bot, ihre Lippen glänzten, und ich sah mit fasziniertem Grausen, wie ihre Zungenspitze über ihre Zähne glitt und zwischen ihren Lippen zuckte, als küsste sie einen unsichtbaren Dämon.
»Hallelujah!«, rief eine heisere Stimme. Ich sah mich überrascht um, nach dem Ersten dieser Kongregation, den ich würde identifizieren können. Ich entdeckte ihn in der Mitte der Menge, auf seinem geschorenen Schädel eine fein gewobene Kappe aus Schweißperlen und das Gesicht von Querstreifen aus fettem Ruß entstellt, ein Band über der Stirn, eines quer über Mund und Wangen und dazwischen eines, aus dem die Augen weit aufgerissen und fast irre hervorglitzerten. Ich fasste unwillkürlich nach oben, ob meine Maske noch richtig saß. Schließlich war ich nicht den halben Tag auf Zehenspitzen herumgelaufen, um Lutz auszuweichen, nur damit ich ihm hier inmitten seiner halb hysterischen Sektierergemeinde auffiel.
»Seid ohne Furcht! Seht ihnen in die Augen! Ihr könnt aufrecht gehen, AMEN, SO IST ES ! Habt keine Angst vor ihren Spießen und ihren Kerkern! Habt keine Angst vor ihren Knüppeln und ihren Peitschen und den Stricken und dem Rad, habt keine Angst vor ihren Scheiterhaufen, seid unbesorgt! AMEN, SO IST ES! WENN IHR DEN HERRN ATMET UND DEN HERRN TRINKT, IST DER HERR IN EUCH. HABE ICH RECHT?«
»AMEN!«
»AMEN, SO IST ES! UND WENN DER HERR IN EUCH IST, DANN SEID IHR SEIN HEILIGES UNVERLETZLICHES GEFÄSS, HABE ICH
RECHT?«
»AMEN!«
»ICH KANN EUCH NICHT HÖREN!«
»AMEN !«, kreischten sie, die meisten von ihnen jetzt mit wiegenden Oberkörpern, ihre eigenen Gedanken vollkommen hinweggefegt.
»WENN ICH RECHT HABE, NENNT MEINEN NAMEN!«
»ORIENS!«
»EGIM!«
»WENN ICH RECHT HABE, NENNT MEINEN NAMEN!«
»PAYMOM!«
»AMAYMOM«
»AMEN, SO IST ES!«
Die gesamte Gemeinde schaukelte vor und zurück. Ich wurde halb mitgerissen, halb machte ich aus freien Stücken mit, um nicht aufzufallen. Jemand stieß gegen mich, und als ich mich umwandte, sah ich die stämmige Frau neben mir, über deren Gesicht schwarze Tränen liefen und deren Mund von Schweiß und der eigenen Spucke glänzte. Ihr Oberkörper war entblößt, ihre Brüste schaukelten hin und her und schlugen gegen meinen Oberarm, ihre Brustwarzen waren so steif, dass sie in die Höhe standen wie dicke braune Knospen, das Tal zwischen ihren Brüsten glitzerte vor Schweiß, und sie stöhnte und ächzte und zuckte und verdrehte die Augen und strömte einen so strengen Geruch aus, dass er selbst über den Gestank von Weihrauch und Fackeln und Tranfeuer bemerkbar war und von der körperlich-religiösen Verzückung schrie, die die Muskeln in ihrem Körper beben ließ. Auch viele andere weinten. Lutz pendelte mit weit zurückgeworfenem Kopf im Kreis und öffnete und schloss den Mund.
»KENNT MEINEN NAMEN !«, schrie der Hohepriester, » MEIN NAME IST LEGION!«
»LIBERA ME!«
»Sagt mir«, forderte der Hohepriester plötzlich beinahe im Plauderton, »ist Platz für die Sünder unter uns?«
»Nein!«, schrie Lutz.
»Amen, so ist es.« Der Hohepriester ließ die Arme sinken und stand wie eine Statue hinter dem Feuer. »So ist es. Es ist kein Platz unter uns für die Verächter und die Leugner und die Spötter, habe ich Recht?«
»Du bist der Herr.«
»Amen!«
»Amen«, stimmte der Hohepriester zu. »Es heißt, dass die, welche den Gebieter anbeten, von ihm erhört werden ... es heißt, dass die gefallenen Engel in die Knie sanken, als sie Seiner Herrlichkeit ansichtig wurden und seinen Namen voller Ehrfurcht flüsterten ... und er gebot ihnen aufzustehen und hob sie auf seinen eigenen Schwingen empor wie auf den Schwingen des Adlers und verlieh ihnen die Macht von zehn, UND SO WERDE ICH AUCH EUCH DIE MACHT VON ZEHN VERLEIHEN, WENN IHR MICH ANBETET, AMEN, SO IST ES!«
»Hallelujah!«
»UND MIT DIESER MACHT WERDET IHR DIE HINWEGFEGEN, DIE ÜBER EUCH LACHEN UND DIE KNIE NICHT BEUGEN VOR MIR, DEM HERRN!«
»Amen, so ist es!«
»ABER DIE ZEIT IST NOCH NICHT GEKOMMEN! DIE GEFALLENEN ENGEL VERSAMMELN SICH, ABER DER TAG IST NOCH NICHT ANGEBROCHEN ! Ihr müsst noch warten«, die Stimme hinter dem Feuer war mit einem Mal so leise, dass sie fast flüsterte, doch trotz des Keuchens und des Schluchzens in der Grabkammer war sie perfekt zu verstehen, »ihr müsst noch warten, bis ich euch das Zeichen gebe, und bis dahin eure Huldigung im Verborgenen ausüben, denn die Kraft des Feindes wird erlahmen, und ich werde euch sagen, wann es so
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