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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Halbwüchsigen, die um mich herum waren, seit ich das Gögginger Tor verlassen hatte, näherten sich und begannen noch lauter als vorher zu schreien. Nur ein vollkommener Narr hatte erwarten können, lautlos und ohne Aufmerksamkeit zu erregen aus der Stadt bis zu der Hütte im Zentrum der Pfahlsiedlung vordringen zu können. Warum ärgerte ich mich dann trotzdem über das Gekreische?
    Ich schleuderte eine Hand voll kleiner Münzen über die Köpfe der Kinder hinweg, und die meisten von ihnen stürzten davon und sammelten sie wild um sich tretend auf. Die anderen blieben an meiner Seite und hofften darauf, dass ihr Lärm mich zu einem weiteren Almosen erweichen würde oder dass sie mir meine Börse entreißen konnten. Ich räusperte mich und hustete und schob dann das Sackleinen zur Seite, um einzutreten.
    Meine Hände fühlten sich kalt und klamm an, und meine Beine waren wie aus sprödem Holz. Ich blinzelte in die Dunkelheit der Hütte und räusperte mich erneut, weniger, um mein Dasein anzukündigen, als vielmehr, um den Kloß aus dem Hals zu bekommen, der sich auf einmal dort gebildet hatte.
    Die Hütte hatte keine Fensteröffnungen. Nur von der Tür fiel eine größere Menge Licht herein, und dort stand ich und warf einen Schatten in die Dunkelheit. Eine weitere Bahn Sackleinen war quer durch den Raum gezogen und trennte den hinteren Teil vom vorderen ab. Im vorderen Teil stand ein Herd in der Nähe der Türöffnung, der aus einem Haufen lose aufeinander gelegter Steine bestand und über dem eine an beiden Enden abgesplitterte Holzstange hing. In der jenseitigen Ecke des Raums lagen zwei halb behauene Steine aus dem Gräberfeld und über ihnen ein Brett: eine Bank, wenn man darauf sitzen wollte, und ein Tisch, wenn man sich auf den Boden davor niederließ. Was außer durch das Türloch noch an Licht ins Innere der Hütte gelangen konnte, kam durch die Ritzen in dem brettergedeckten Dach. Wenn es regnete, regnete es herein, doch der Erdboden war zu hart gestampft, um die Nässe aufnehmen zu können, sodass das Wasser wahrscheinlich zusammen mit dem, das unter den Seitenwänden hindurchdrang, wieder auf der Seite hinauslief, die am tiefsten lag, und den Boden halbwegs trocken zurückließ. Es roch nach dumpfigem Erdreich, nassem altem Holz und schimmelndem Sackleinen, und der Duft von frisch geräuchertem Fleisch stach aus dieser Geruchsmischung so unpassend hervor, dass er beinahe Ekel erregte.
    Maria stand neben dem Herd und hängte eine Speckseite an die Stange. Sie kniff die Augen zusammen und spähte mir entgegen, doch schien es ihr keine Probleme zu bereiten, mich auch im Gegenlicht zu erkennen.
    »Was willst du noch?«, fragte sie.
    Ich hob das Sackleinen etwas weiter hoch und trat aus dem Licht. Ihr Gesicht wurde aus dem Schatten geholt. Sie hatte sich den Ruß und das Blut des Hahns abgewaschen, aber nurunvollständig und so weit es ihr Desinteresse zugestanden hatte. In den Falten um die Nasenwurzel und hinter den Ohren sah ich dunkle Reste.
    »Darf ich hereinkommen?«
    Sie zuckte mit den Schultern und knüpfte die Schnur, an der die Speckseite hing, fest. Ich fragte mich, woher sie das Geld gehabt hatte, das Fleisch zu bezahlen, und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie wenig Möglichkeiten es für eine Frau gab, Geld zu verdienen.
    »Jemand wusste, wo du wohnst. Ich hatte es mir gestern schon gedacht, als du so plötzlich verschwunden warst.«
    Sie schwieg und zupfte an den Säumen ihres Kleides. Es wirkte nicht verlegen, eher wie die Geste eines Menschen, der sich in Gegenwart eines anderen unwohl fühlt und hofft, dass dieser andere bald gehen wird. »Ich sagte dir, dass du mich nicht halten kannst.«
    Ich holte Atem und merkte, dass ich noch immer dastand wie ein Lakai und das Sackleinen hochhielt. Die bettelnden Kinder von draußen riefen und zeigten herein. Ich ließ den Vorhang fallen. Die Dunkelheit verschluckte Marias Gesicht und ließ nichts als einen hellen Schimmer zurück. Es dauerte einige lange Momente, bis meine Augen sich so an die Düsternis gewöhnt hatten, dass ich mehr erkennen konnte als grobe Formen.
    »Ich wollte, du wärst nicht geflohen.«
    »Ich bin nicht geflohen, ich war zu Hause.«
    »Was glaubst du eigentlich, wie schwer es für mich ist, dir zu erzählen ...« Ich brach ab, als sie sich abrupt abwandte und an mir vorbeischritt, auf den Vorhang zu, der den Raum teilte. Ich nahm an, dass dahinter eine Lagerstatt war, und wusste, ich würde es nicht über mich bringen,

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