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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ihr dorthin zu folgen. Wenn ich sie hinter den Vorhang flüchten ließ, verlor ich sie ein drittes Mal, und ich hatte das Gefühl, dann werde es endgültig sein.
    »Tu mir nicht an, was ich dir getan habe«, sagte ich.
    Sie zögerte. Nach ein paar Momenten senkte sie den Kopf.
    Ihre Hand streckte sich zu der langen Bahn Sackleinen hin, die den Raum unterteilte.
    »Hätte ich dich auf der Beerdigung von Ludwig Stingihammer getroffen?«, fragte ich.
    Die Hand umklammerte den groben Stoff. Sie sah noch immer zu Boden. Im Inneren der Hütte trug sie ihr Tuch nicht, und ihr Haar, lang und leicht gelockt und dunkel wie das ihrer Mutter, nur schmutziger und struppiger, hing um ihr Gesicht und verbarg es besser, als jeder Schleier es vermocht hätte.
    »Ja«, sagte sie schließlich.
    »Hättest du ihm auch ein Trigramm ins Grab geworfen?« Maria antwortete nicht. Ihre Hand, die den Vorhang hielt, war ruhig.
    »Der alte Mann, der die Symbole verkaufte«, sagte ich, »ist tot. Ein Besoffener hat ihn vor der Metzg zu Tode getreten.«
    Sie reagierte nicht. Ich nahm an, sie hatte ihren Vorrat bereits bei ihm erworben. Ich wagte kaum, die nächste Frage zu stellen.
    »Wie viele hast du noch übrig? Außer dem für Stinglhammer?«
    »Eines«, antwortete sie. Ich spürte, wie mir der Atem stockte.
    »Es gibt ein drittes Grab, in das du es werfen willst.«
    Die Antwort darauf brauchte ich nicht. Die Antwort auf die nächste Frage schon eher: »Ist das Grab schon geschaufelt?«
    Warum fragst du nicht, was du eigentlich wissen möchtest?
    Lebt der Mann noch, für den es gedacht ist?
    Ich erinnerte mich, dass ich sie am Grab von Martin Dädalus gefragt hatte, ob das Symbol den Toten oder die Menschen vor ihm schützen sollte. Ich hatte niemals daran gedacht, dass es auch noch eine dritte Möglichkeit gab: dass es ein Zeichen des Triumphs war.
    »Nein«, sagte sie.
    Ich trat langsam zu der behelfsmäßigen Bank hinüber, ohne zu wissen, ob sie mich hinter dem Vorhang ihres Haars musterte. Ich musste nahe an ihr vorbei und spannte alle Muskelnan vor Furcht, dass sie diese Nähe nicht ertragen und entweder hinter das Sackleinen oder hinaus ins Freie flüchten werde, doch sie blieb bewegungslos stehen. Ich konnte ihren Geruch wahrnehmen. Sie hatte das meiste Blut aus dem Gesicht gewaschen, aber wo es in die Öffnungen ihres Kleides geraten und über ihren Körper gelaufen war, hatte sie es nicht entfernt. Das Vorderteil ihres Kleids war steif und dunkelfleckig. Sie roch wie etwas, das vor Tagen gestorben war. Mein Magen drehte sich um. Selbst als kleines Kind, eingewickelt in ihr Tuch und von oben bis unten voller Kot, hatte sie niemals so abstoßend gestunken. Meine Tochter roch wie Aas. Wenn es etwas gab, was als Hoffnungsschimmer gelten konnte, dann, dass ihre Erscheinung bewies, dass es etwas wie in der letzten Nacht vorher nicht gegeben hatte – sonst wäre sie bereits zu Martin Dädalus' Beerdigung so erschienen wie jetzt. Das Kleid war dasselbe, nur das getrocknete Blut war neu. Ich setzte mich so vorsichtig hin, als läge das Sitzbrett über zwei rohen Eiern. Mir war übel von dem Schmutz, der an ihr haftete, aber noch übler vor Aufregung.
    »Du hast doch alle meine Briefe gelesen, oder?« Das war der falsche Anfang, war es am Vortag schon gewesen. Wahrscheinlich hatte sie sie gelesen, doch war es vollkommen egal. Es hatte nichts darin gestanden, was von Belang gewesen wäre. Um das eigentlich Wichtige zu erzählen, war ich hierher gekommen. Ich suchte nach den richtigen Worten und erkannte, dass es mir nun noch schwerer fiel als in der letzten Nacht.
    »Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich Jana mitgebracht.«
    »Warum?«, fragte sie.
    »Um dir zu zeigen, dass ich die Liebe wiedergefunden habe.«
    »Warum glaubst du, dass mich das interessiert?«
    Auch das war der falsche Ansatz gewesen. Doch immerhin stand sie noch da wie zuvor. Es mochte ihr nicht bewusst sein, aber sie war bereit, mir noch eine weitere Chance zu geben. Nutze sie, dachte ich, und meine Kehle zog sich vor Angst zusammen.
    »Du hattest zugleich Recht und Unrecht«, sagte ich, »als du am Grab von Martin Dädalus deine Anschuldigungen gegen Ulrich Hoechstetter ausgestoßen hast. Unrecht, weil nicht Ulrich Hoechstetter den Tod deines Mannes zu verantworten hat.«
    Sie schnaubte.
    »Recht, weil der Täter dennoch im Haus Hoechstetter zu finden ist.«
    Sie schnaubte erneut. Ich schwitzte und fror gleichzeitig, während ich meinen Weg durch die Worte suchte wie

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