Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
an Georg und Ambrosius Hoechstetter persönlich. Das sind die Söhne des alten Ulrich, die ihn vertreten, solange er auf Reisen ist. Ich sag dir was: Mein Name öffnet dir dort Tür und Tor und vor allem die Ohren; das ist das Wichtigste.« Er nahm ein Pergament aus einem Fach, wendete es hinund her und kniff die Augen zusammen, während er las, was darauf stand. Dann griff er nach einem in einen hölzernen Griff gefassten Stein und begann, die beschriebene Seite abzureiben. Er arbeitete mit ungeduldigen Handbewegungen, und als das Pergament an einer Stelle einknickte und dann riss, schlug er aufgebracht mit der Faust darauf. Er begann zu schreiben, kaum dass die alte Schrift ein wenig blasser geworden war. Während der Federkiel tanzte, sah er zu mir herüber und zwinkerte. »Und damit gehst du nicht zurück ins Haus Hoechstetter, sondern schnurstracks zum Friedhof von Sankt Ulrich.«
»Es ist noch jemand aus dem Haus Hoechstetter gestorben?«
Er unterzeichnete mit einer Signatur, die den restlichen freien Platz des mit wenigen neuen Zeilen beschriebenen Pergaments benötigte, und reichte das Empfehlungsschreiben über den Tisch. Ich schlenderte hinüber und nahm es an mich. Die Tusche glänzte feucht und war in der rauen Oberfläche der abgeriebenen Seite verlaufen. Gregors Schrift war steil und beinahe unleserlich.
»Er heißt Martin Dädalus. Einer von Ulrich Hoechstetters Vertrauten im Ausland. Er war erst seit diesem Frühling wieder zurück in Augsburg.«
»Der Tod kommt immer dreimal ins Haus.«
»Diese Ansicht kannst du den jungen Hoechstettern mitteilen; mal sehen, ob sie sie beruhigend finden.«
»Ich kann dir nicht helfen«, sagte ich. »Ich muss meine Tochter finden und danach schnellstens Jana nachreisen ...«
»Wer ist Jana?«
»Lange Geschichte, Gregor. Du hast zu wenig Zeit für sie.«
»Dann komm in meinen Dienst; du kannst in Ruhe nach deiner Tochter suchen, mir helfen, diese Geschichte hier aufzuklären ... und wir haben genügend Muße zum Plaudern.«
Ich zwang mich zu lächeln und schüttelte den Kopf. Gregor lächelte mit der gleichen Anstrengung zurück.
»Dädalus kommt heute Vormittag unter die Erde. Du triffst die Familie Hoechstetter mit Sicherheit auf dem Friedhof.
Sprich die Söhne einfach an; und sag ihnen auch gleich, dass ich die Sache mit Stinglhammer bald geklärt haben werde.«
»Ich dachte, du hättest Georg Hoechstetter heute Morgen noch gesprochen?«
»Nein, er hat wohl auf mich gewartet, musste aber schließlich zur Beerdigung.« Das sagte er mit so großer Unschuld, dass ich überzeugt war, er glaubte es selbst. Er ließ sich in den Thronsessel des Bischofs zurücksinken und grinste zu mir herauf.
»Siehst du«, sagte er und breitete die Arme aus, »obwohl du mich nicht unterstützen willst, setze ich alle Hebel in Bewegung, um dir zu helfen. Das nennt man Freundschaft, oder?«
»Danke.«
»Hör auf. Was mir gehört, gehört dir. Wie damals, oder?« Gregor bückte sich, um in dem Fach nach Dokumenten zu suchen. Es machte den Eindruck, meine Audienz sei vorbei. Ich verabschiedete mich und machte mich erneut auf den Weg zur Tür.
»He, Peter«, rief er plötzlich. Als ich mich umdrehte, strahlte er übers ganze Gesicht wie ein Grundherr, der seinem Pächter erklärt, welche Ehre es ist, wenn er den Herrn und seine Freunde anlässlich ihres nächsten Jagdausflugs eine Woche lang auf eigene Kosten bewirten und beherbergen darf. »Wenn du dein kleines Mädchen gefunden hast, besuch mich mit ihr zusammen. Ich habe sie seit Ewigkeiten nicht gesehen.«
»Du hast sie noch nie gesehen«, sagte ich.
»Natürlich habe ich. Das hast du bloß vergessen.«
Als ich an einem der Fenster vorbeikam, blickte ich nach draußen. Der alte Mann war unten und schleppte den schweren Sattel stückchenweise in Richtung Stall. Er legte ihn ab, richtete sich auf und drückte sich die Hände ins Kreuz. Dann sah er zu dem Fenster hinauf, aus dem Gregor zu ihm hinuntergerufen hatte, nicht zu dem, aus dem ich hinausspähte. Der Alte blickte sich um, ob ihn jemand auf dem Hof beobachtete, dann griff er sich an den Schritt und machte eine obszöne Geste zu Gregors Fenster hoch. Sie passte so wenig zu seiner weißhaarigen,würdigen Gestalt, dass ich unwillkürlich lächeln musste. Ich drehte mich zu Gregor um, doch der tat immer noch, als suche er nach einer bestimmten Unterlage. Er sah hoch.
»Hm?«, machte er. »Ist noch was?«
»Lebwohl, Gregor. Danke für die Hilfe.«
»Du kommst
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