Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
ihr erzählen musst?
»Was tun Sie hier, wenn es nicht das ist, was mein Großvater vermutet?«
»Haben die alten Männer Recht? Mit ihrem Gerede über die Rückkehr der Grubenleute und allem?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe gesehen, wie man eine Frau verhaftete, und die Umstehenden machten das Zeichen gegen den bösen Blick.«
»Auf dem Markt werden schmutzige kleine Talismane verkauft« , sagte ich.
»Der Schatten des Gehängten liegt über der Stadt.« Ich suchte nach einer Antwort.
»Glauben manche. Aber Ulrich Schwarz ist tot und begraben, und aus dem Grab heraus wirft man keinen Schatten.«
»Ich habe vom Todesengel reden hören.«
Elisabeth schauderte, dennoch lächelte sie schwach. »›Wenn ich das Blut an Euren Häusern sehe, dann werde ich vorüberschreiten.« In dieser Stadt klebt an vielen Händen Geld, und ob es vom Blut oder vom Schweiß dort kleben bleibt, weiß nur Gott oder der Teufel. Jedenfalls sind es zwei Namen für eine Furcht.«
»Vor dem Mörder, der seine Opfer in verschlossenen Räumen findet?«
Sie seufzte. »Ich rede zu viel«, sagte sie wie zu sich selbst. »Ich fürchte, mein Großvater und seine Freunde haben mich angesteckt.« Sie starrte auf den Korb in ihren Händen. »Also gut, wenn Sie mich begleiten wollen, kommen Sie. Ich habe es eilig; ich wollte eigentlich noch vor der neunten Stunde auf den Markt, wenn nur die Bürgerschaft einkaufen darf, aber das habe ich nicht geschafft. Jetzt muss ich mir die besten Stücke mit den Weinwirten und den Bierbrauern teilen, und ich will nicht noch eine Stunde warten, bis auch noch die Fürkäufer auf den Markt dürfen. Sie können den Korb tragen, wenn er mir zu schwer wird.«
Freitag war der Hauptmarkttag der ganzen Woche und das Ereignis, auf das die Bürger die restlichen sechs Tage lang warteten. Der Nebel, mehr noch die Ereignisse der letzten Tage, sorgten jedoch dafür, dass das Treiben weniger enthusiastisch als sonst verlief. Der Perlach, der gedrungene Turm neben dem Rathaus, war ein ungewisser Schatten, der körperlos über den Marktständen hing, das Krächzen der Raben, die die Spitze umkreisten, klang wie die Rufe verirrter Seelen. Der eine oder andere Verkäufer schrie seine Waren aus, doch waren es wenigeStimmen und sie schienen eher den krächzenden schwarzen Vögeln über unseren Köpfen zu gehören als menschlichen Kehlen zu entstammen. Die Marktgänger lösten sich aus dem Nebel und tauchten wieder hinein, bleich und farblos, das Bunteste an ihnen das rote Fleisch, das sie in ihren Körben transportierten. Die Behörden hatten die Anzahl der Wachen verdoppelt; in vielen Werkstätten ruhte jetzt die Arbeit, weil der Meister dem Ruf seiner Stadt nachgekommen war und sein Werkzeug mit dem Spieß hatte vertauschen müssen. Die Helme waren beschlagen von der Feuchtigkeit und die Gesichter unter ihnen angespannt. Es war nicht leicht, den Spieß ruhig zu halten, wenn sich aus allen Richtungen unverhofft Menschen aus dem Nebel schälten und mehr oder weniger plötzlich vor einem standen. Vor dem Rathaus kämpften ein paar Fackeln gegen die Schwaden an, und vom Weberhaus drang ein mattroter Schein bis zu den Marktständen. Die Zunft hatte einen Scheiterhaufen errichtet, um den Menschen auf dem Markt die Orientierung zu erleichtern. Bei seinem Anblick dachte ich an die Frau, die am Vortag verhaftet worden war, und fühlte das Unbehagen, das jeden vernünftigen Menschen überkommen muss, wenn er sich vorstellt, wie jemand von den Knechten des Scharfrichters in das lodernde Feuer hineingetrieben wird, das Gewissen mit nichts Schlimmerem belastet als mit ein paar Kräutertränken für eine Schwangere oder einem Sud für eine kranke Kuh.
Oder einer vorgetäuschten Dämonenbeschwörung, an deren Ende ein Mensch mit zerschmettertem Schädel stirbt.
Ich schüttelte den Kopf, um an etwas anderes zu denken. Die vergangene Nacht schien bereits fern, weiter weg als die kommende, und ich hatte später am Tag noch genügend Zeit, mich vor den Bildern zu fürchten, die der Aufenthalt und die Geräusche im Bischofspalast aus einem Winkel meines Gehirns hervorholen mochten.
Elisabeth Klotz machte ein paar hastige Schritte zur Seite, um etwas auf dem Boden auszuweichen. Es glänzte dunkel und nass. Wir waren an der nordwestlichen Ecke des Perlachplatzes bei der neu erbauten Metzg. Zur Rechten erhob sich dieFlanke des Gebäudes, das bunte Rautenmuster an der Fassade eine halb aufgelöste Form im Nebel, das breite
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