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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Otter sah wie eine große Ausgabe des Frettchens in Stinglhammers Arbeitsstube aus, und es hätte nicht des Nebels oder der Erinnerung an den Blutfleck bedurft, dem ich eben noch ausgewichen war, um das Bild heraufzubeschwören, wie dieses Tier das Blut seines toten Herrn getrunken hatte. Ich stampfte mit dem Fuß auf den Boden, der Otter zuckte zurück, und die glitzernden Augen verschwanden im Dunkel des engen Gefängnisses. Vergeblich redete ich mir ein, dass damit das Gefühl des Beobachtetwerdens verging.
    Nachdem Elisabeth zwei schlaff aussehende Lachse abgelehnt und stattdessen zu einem halben Dutzend prächtiger Forellen gegriffen hatte und nachdem sie mit Kennermiene aus den Weidenrutenringen mit den aufgespießten Fröschen diejenigen herausgesucht hatte, deren Haut noch feucht schimmerte, trat der Fischer zurück, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah noch düsterer drein als vorher. Elisabeth musterte das Angebot weiter, während sie die bereits erstandenen Güter in den Korb legte. Ein paar der Frösche bewegten noch die Mäuler oder die langen Hinterbeine. Ich sah weg.
    »Dädalus war eines Tages plötzlich da. Das Gesinde wird üblicherweise nicht eingeweiht in die Pläne der Herrschaft, aber über die Gerüchteküche erfahren wir oft mehr, als die einzelnen Familienmitglieder wissen. Dennoch kannte niemand von uns Dädalus oder hatte gewusst, dass er nach Augsburg kommen würde. Was kosten die Krebse?«
    »Zweiundsechzig Pfennig das Lot«, brummte der Fischer.
    »Du lieber Himmel. Da kostet ein Pfund jafünfundzwanzig Groschen. Mehr als einen Gulden! Was ist mit den Grundein?«
    »Meine Kinder haben die Krebse mit der Hand gefangen. Das ist nicht so leicht.«
    »Und meine Herrschaft findet das Geld nicht auf der Straße. Was ist mit den Pfrillen? Die kann ich mir unten am Graben frisch kaufen, wenn ich will.«
    »Wenn deine Herrschaft dich so lange von der Leine lässt ...«
    »Wie war das?«
    »Nichts, nichts«, knurrte der Fischer.
    »Ich habe gehört, Dädalus sei vorher in Italien gewesen.«
    Sie nickte und verließ den Stand, scheinbar befriedigt darüber, dass sie dem Fischer Respekt eingeflößt hatte.
    »Er kam Mitte Mai hierher. Seinen Kleidern und seinem Auftreten nach wusste jeder, der Augen im Kopf hatte, dass er im Süden gewesen war, noch bevor es sich rumsprach.«
    Elisabeth drückte mir den Korb in die Hand, der nun neben den mächtigen Forellen die Froschringe, die Grundein und die Pfrillen enthielt und aus dem fischiges Wasser zu tropfen begann. Sie breitete ein paar Kissen trockenen Mooses, die sich bereits vorher im Korb befunden hatten, darüber, und wir eilten zum Eiermarkt vor der Metzg und danach über die Judengasse zum Obstmarkt. Ich bemühte mich, keines der hart erhandelten Eier, die auf den Moospolstern relativ sicher lagen, zu verlieren.
    Auf dem Obstmarkt blieb Elisabeth vor einer Ansammlung verschieden großer Körbe stehen. Das Angebot war nicht umfangreich, doch die Büschel von Kräutern und Gewürzpflanzen waren frisch, und die Kriechen, Birnen und Äpfel hatten kaum braune Sprenkel. Ich erkannte Bohnenkraut, Dill und Leindotter; die Kamille duftete in der feuchten Nebelluft nach Sonne und letzten Sommertagen. Hinter den Körben, die von keinerlei Baldachin oder wenigstens einer leinenen Plane geschützt wurden, stand ein blonder junger Mann, der den Kopf weit in den Nacken gelegt hatte und uns aus fast geschlossenen Augenmusterte. Neben ihm hockte eine ältere Frau mit schmutziger Haube auf einem kleinen Fässchen. Als Elisabeth die Hand nach ein paar strammen Rübchen ausstreckte, begann der Junge laut zu rufen: »Pastinak, Portulak, Petersilie!« Er litt entweder an einem Wolfsrachen oder einem entzündeten Mund, denn er verschliff sein Angebot fast zur Unkenntlichkeit, und sein unvermitteltes Loskrähen ließ vermuten, dass er nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Elisabeth lächelte und hob eine der Rüben in die Höhe.
    »Paschnaak, Porlaak, Persiiilie!«, rief der Junge.
    »Kein Schwein versteht, was du sagst«, murmelte die Frau düster und stieß den Jungen mit der Faust in die Seite.
    »An diesem Stand gibt es die besten Pastinaken«, erklärte Elisabeth. »Frau Barbara ist ganz verrückt nach ihnen.«
    »Keine Sau weiß, was du sagen willst«, erklärte die alte Frau.
    Der Junge schnaubte und blinzelte Elisabeth unter seinen schweren Lidern hervor an. »Paschnaak?«
    »Wie viel für alle?«, fragte Elisabeth. Sie sah über die

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