Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
er.
»Sie sind doch der Herr des Geldes hier.«
Er stand auf und ging mühsam die paar Schritte hinüber zu seinem Helfer und den wartenden Stapeln. Scheinbar dachte er darüber nach, ob er sich den Schmerz antun sollte, sich wieder niederzuknien. Seine Rücken war sehr gerade.
»Wer?«, fragte ich. »Wer ist für meine Tochter zuständig?«
Er antwortete nicht. Wenn jemals ein Mensch dringend gewünscht hatte, dass ich gehen möge, dann er.
»Ich weiß, dass Sie viel zu tun haben. Immerhin gibt es zwei Tote innerhalb weniger Tage zu beklagen.«
Er drehte sich um und funkelte mich feindselig an. »Sie sind einen Tag zu spät dran.«
»Was soll das heißen?«
»Ludwig Stinglhammer war für Ihre Tochter zuständig.«
Jetzt war die Reihe an mir, ihn anzustarren.
»Kleinschmidt war unser Mann in Florenz. Stinglhammer hatte die Betreuung seiner Akte selbst übernommen. Er hätte Ihnen vielleicht sagen können, wo Sie die Frau finden. Ich kann es nicht.«
Er wandte sich endgültig seiner Arbeit zu. Laut keuchend ließ er sich auf die Knie nieder und versuchte, eine Stellung zu finden, die seinem schmerzenden Gelenk am besten entgegenkam. Ich war entlassen. Grußlos ging ich hinaus. Erreicht hatte ich nichts, außer zu wissen, dass es nun zwei Tote gab, die mit meiner Tochter Maria in Verbindung zu bringen waren. Wo sie sich aufhalten mochte, wovon sie lebte, warum sie aufgehört hatte, den Witwenpfennig entgegenzunehmen, wie ich an sie herankommen sollte, all das wusste ich genauso wenig wie zuvor.
In meinem Bauch verspürte ich ein flaues Gefühl, und das kam nicht nur daher, dass ich am Morgen nichts gegessen hatte oder dass mir die Augen der wenigen Dienstboten, die irgendwelchen Verrichtungen nachgingen, plötzlich mit kaltem Argwohn folgten.
11.
Der Nebel hatte sich nicht verändert, wenn er nicht noch dichter geworden war. Er kroch durch das noch immer offen stehende Tor und brachte Rauchgeruch mit sich. Der halb abgeladene Karren stand scheinbar unberührt im Tordurchgang, doch der Lichtschein aus der kleinen Kammer war erloschen. Vier Männer kamen durch das Tor herein und gingen an mir vorbei. Sie warfen mir ähnlich argwöhnische Blicke zu wie die Männer und Frauen, denen ich im Inneren des Hauses begegnet war, und sie beanspruchten fast die ganze Breite der Toreinfahrt für sich. Ich trat beiseite, bevor einer von ihnen mich mit der Schulter anrempeln konnte. Direkt neben dem Tor zum Haus Ulrich Hoechstetters stand eine kleine Gestalt im Nebel, blassfarbener Kleiderstoff, ein weißes Kopftuch und in den vor dem Leib zusammengehaltenen Händen einen Korb. Sie wandte den Kopf und gab meinen Blick zurück, als habe sie ihn gespürt.
»Elisabeth Klotz«, sagte ich verblüfft.
Sie nickte und lächelte. Es schien ihr an diesem Tag schwer zu fallen.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie.
»Ist das das Haus, in dem Sie arbeiten? Ulrich Hoechstetters Köchin?«
»Lediglich eine von vielen.«
Eine kleine Pause entstand. Sie biss sich auf die Unterlippe und wich meinem Blick aus.
»Ich möchte Sie etwas fragen ...«, begann ich, und sie sagte gleichzeitig: »Ich muss zum Markt...« Sie hob den leeren Korb hoch.
»Ich begleite Sie.«
»Wozu?«
Ich ging ein paar Schritte voraus, doch sie folgte mir nicht. »Ich möchte etwas über einen Toten erfahren.«
»Gilt Ihr Interesse hier auch irgendeinem Lebenden?«
»Der Besuch bei Bischof Peter war ein Freundschaftsdienst.«
»Mein Großvater ist überzeugt, dass Sie hier sind, um die Ordnung wieder herzustellen.«
»Ich bin nur auf der Durchreise.«
»Natürlich. Sie sprechen nur aus Pietät über die Toten. Geht es um Ludwig Stinglhammer?« Ich hörte am Tonfall ihrer Stimme, dass dies kein Thema war, über das sie sprechen wollte.
»Ihr Großvater ist ein feiner Mann.«
Sie nickte, aber sie sah mich so argwöhnisch an wie nie zuvor. »Und in seinem Kopf ist ein ebenso feines Durcheinander. Vielleicht vermögen Sie ja, wenigstens dort ein wenig zu helfen.«
»Weshalb gerade ich?«
»Der Burggraf lässt Sie im Palast wohnen. Ist er Ihr Freund?«
Ich war überrascht von meiner eigenen Offenheit. »Manchmal glaube ich es.«
»Mein Großvater meint, Bischof Peter war Ihr Freund. Aus diesem Grund glaubt er an Sie. Was immer Sie vorhaben, wenn Sie ihn enttäuschen oder verletzen, bekommen Sie es mit mir zu tun.«
»Ich habe nicht vor, jemandem zu schaden«, sagte ich, doch mahnte mein Gewissen im Stillen sofort: Und Maria und die Geschichte, die du
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