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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Eingangstor ein tiefer Schatten und vor diesem Schatten die blutigrote Form eines gekreuzigten Körpers. Ein Metzger hatte ein Schwein in den Rahmen gehängt und die Bauchdecke geöffnet. Jetzt stand er hinter dem kopfüber hängenden Tier und schob mit den Füßen die unverkäuflichen Teile des Gedärms zusammen. Das Blut war bereits gestockt; ohne den Nebel wäre es nur noch ein klebriger brauner Fleck auf dem Boden gewesen. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Blut eines Menschen und dem eines Tieres, wenn es zwischen den Pflastersteinen glänzt. Ich folgte Elisabeths Ausweichkurs wie ein überspannter Geck, der Angst hat, seine neuen Schnabelschuhe mit dem Dreck der Gosse in Berührung zu bringen.
    »Was wissen Sie über Martin Dädalus?«, fragte ich.
    Sie blieb einen Augenblick stehen und ging dann weiter.
    »Reden wir nicht über Stinglhammer?«
    »Worüber würden Sie denn mit mir reden wollen?«
    Sie drehte sich zu mir um. »Über das Reifen der Äpfel in einem großen Baum, über das Korn auf den Feldern, über den Gedanken, dass der Weg, der vor der Haustür beginnt, unweigerlich bis zum Rand der Welt führt, über das Lachen von Kindern, die im Fluss baden, und ein gutes Glas Wein am Ende eines langen Tages.«
    Ich konnte nicht umhin zu lachen. Sie blieb ernst. »Obwohl ich Sie zuerst an einem Grabmal getroffen habe, scheinen Sie nicht der Mann zu sein, mit dem man sich über den Tod unterhält.«
    »Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment ist oder nicht.«
    »Nehmen Sie es, wie Sie wollen.«
    »Leider zwingen mich die Umstände, über den Tod zu reden.«
    »Warum machen Sie sich all die Mühe, wenn Sie doch auf der Durchreise sind?«
    Ich brachte es nicht übers Herz, mit ihr über Maria zu reden. Sie waren beide etwa gleich alt. Ich dachte, Elisabeth Klotzwerde nicht verstehen, was mich bewegte. Was ich mir nicht eingestehen wollte, war die Tatsache, dass ich fürchtete, von ihr die gleichen Worte zu hören wie von Maria, wenn sie die Hintergründe der gescheiterten Beziehung zu meiner Tochter (zu meiner gesamten Familie) erfuhr.
    Elisabeth führte mich an den überdachten Verkaufsständen am Fuß des Perlach vorbei, in denen Töpferwaren an Schnüren von den Querbalken hingen. Wir betraten den Fischmarkt, dessen Geruch den nach frischer Schlachtung und warmem Blut schon längst überlagerte. Er schien im Nebel noch finsterer als sonst in dem engen Geviert zwischen Sankt Peter und dem Rathaus. Der große Brunnen in seiner Mitte plätscherte. Hier drängten sich die Käufer dicht aneinander. Die Ware lag zum Verkauf in großen hölzernen Bottichen oder in flachen Schüsseln, die in Reih und Glied auf langen, schmalen Bänken standen. Die Fischer liefen hinter ihren Bänken auf und ab und verhandelten mit mehreren Käufern gleichzeitig, während sie darauf zu achten versuchten, dass die Bettler ihnen nichts aus den Bottichen stahlen. Aus alter Gewohnheit rückte ich meine Börse nach vorn und faltete die Hände darüber. Elisabeth presste ihre eigene Gürteltasche fest mit dem Ellbogen gegen den Körper. Ich fragte mich, weshalb sie nicht zum Stadtgraben beim Barfüßertor hinunterging, wo die städtischen Fischer ihre Ware lebend anboten, und bekam die Antwort, als sie ungeduldig seufzte und feststellte, wie spät am Vormittag es bereits war. Was immer an diesem Tag zu kochen war, es eilte, und der Koch hatte keine Zeit, die Fische noch zu töten und auszunehmen.
    Schließlich überprüfte sie das Angebot eines finsteren Burschen, der vermuten ließ, seine Fische allein mit seiner bösen Miene getötet zu haben. Er stand mit verschränkten Armen hinter Bottichen, in denen wenige Lachse, Forellen, Waller und Hechte lagen. Elisabeth wischte über die starren Augen der Fische und prüfte, ob sie schon trüb und die Fische damit alt waren. Ich sah ihr dabei zu und betrachtete ebenfalls die toten glotzenden Fischaugen, als mich plötzlich das Gefühlüberkam, dass mich Blicke musterten. Ich drehte mich langsam um, doch war niemand in der Nähe, der mich anstarrte. Der Eindruck verging dennoch nicht, sodass ich mich so unauffällig wie möglich umsah und schließlich ein Paar schwarze Augen bemerkte, das mich unverwandt unter dem Marktstand hervor anstarrte. Unter der Bank des Fischers hockte ein Otter in einem engen Holzkäfig, ein ledernes Halsband im Fell, und ich verstand, dass ich hier den Helfer des Fischers sah, der ihm die Beute noch aus den engsten Winkeln holte, wohin keine Netze gelangten. Der

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