Das Spiel des Saengers Historischer Roman
könnte, ihn zu bezwingen?«
Da sie sich gegen meine leichte Umarmung nicht wehrte, ja sogar erschöpft ihre Stirn an meine Schulter legte, keimte in mir der Verdacht, dass es sich um einen Herzensschmerz handeln müsse. Da ich das hoffnungslose Gesicht des Ritters vor Augen hatte, als er von ihr sprach, wagte ich, sie zu fragen: »Ist es ein unerfülltes Sehnen, das Euch trauern lässt? Ich sah heute dergleichen schon einmal im Antlitz eines Mannes.«
Sie hob ihren Kopf von meiner Schulter und sah mich fragend an.
»Ihr seid ein Minnesänger geworden, und das scheint Euch feinfühlig für diese Dinge gemacht zu haben.«
»Das mag sein. Vor allem aber hat es mein Verständnis für Herzensnöte geweckt. Wenn Ihr Euch mir anvertrauen wollt, edles Fräulein, so verspreche ich Euch, darüber zu schweigen wie ein Beichtiger. Manchmal hilft es, einem Freund die Umstände zu schildern, die so hoffnungslos zu sein scheinen.«
»Ja. Ja, vielleicht. Ich habe meiner Freundin versucht, es zu erklären, aber sie ist ein wenig … verbittert. Aus verschiedenen Gründen, glaube ich.« Dann seufzte Casta noch einmal, und ich spürte, wie ihr Körper sich wieder ein wenig anspannte. »Ihr seid abends noch immer lange mit Herrn Ulrich zusammen, nicht wahr?«
»Wir halten Rückschau auf die Ereignisse des Tages.«
»Er ist Euer Freund, nicht wahr?«
»Er hat mir seine Freundschaft angeboten, und ich habe sie angenommen. Aber er ist ein undurchdringlicher Mann mit vielen Schatten in seinem Gemüt.«
»Ja, mit sehr vielen. Und ich bin so töricht, Meister Hardo, ihn dennoch zu lieben.«
»Das habe ich vermutet. Er weiß es nicht?«
Sie hob die Schultern.
»Ihr habt ihn nach dem Tod Eures Vaters kennengelernt, nicht wahr?«
»Ja, vor zehn Jahren. Ich war ein Kind noch, gerade auf der Schwelle zur Jungfrau. Damals erschien er mir nur freundlich, denn er kümmerte sich darum, dass wir von hier fortgehen konnten, dass wir unsere Einkünfte erhielten und mein Bruder und ich ein angenehmes Leben bei meinen Verwandten führen konnten. Damals besaß er noch seine Burg, und er behandelte mich mit großer Ehrerbietung. In seiner Begleitung, Meister Hardo, befand sich sein Knappe, ein junger Mann von hoher Geburt, mutig und von herzlichem Wesen. Georg vam Steyne fand Gefallen an mir, und ich war nicht abgeneigt, der Verbindung zuzustimmen. Es
wurde zwischen seinen Eltern und meiner Mutter die Verlobung vereinbart, und wir sollten heiraten, nachdem Georg seinen Ritterschlag erhalten hatte. Das hätte zwar noch eine Wartezeit von vier Jahren bedeutet, aber wir waren beide einverstanden.«
»Ulrich sprach mit großer Achtung von dem jungen Mann. Er hat ihn auf dem Schlachtfeld gerettet, als er verwundet war.«
»Das Auge verlor, ich weiß. Georg war ihm sehr ergeben, er nannte ihn einen guten Herrn. Aber dann brach die Fehde um Kleverhamm aus, und beide mussten in den Kampf ziehen. Georg verlor sein Leben, Herr Ulrich sein Lehen. Und ich meinen Verlobten.«
»In jungen Jahren ein großer Schmerz für Euch, edles Fräulein.«
»Nein, Meister Hardo. Auch wenn Ihr mich nun für hart haltet, aber so tief war der Schmerz nicht. Ich bedauerte den armen Jüngling, natürlich, der Tod hatte einen Mann hinweggerafft, der von edlem Charakter war. Aber wir hatten uns selten gesehen, freundlich waren wir zueinander, doch die Liebe war nicht zwischen uns entflammt. Ich hätte ihn gerne geheiratet, und mit den Jahren wären wir sicher glücklich miteinander geworden. Aber so hatten wir keine Gelegenheit, es zu versuchen.«
»Sein Tod hat demzufolge Ulrich weit mehr getroffen als Euch.«
»Ja, das hat er wohl. Zwischen Männern kann, glaube ich, eine tiefe Freundschaft entstehen, wenn sie gemeinsam Gefahren trotzen müssen.« Casta zeigte plötzlich ein Lächeln. »So wie zwischen einem kleinen Taschendieb und einem Minnesänger, nicht wahr?«
»So ungefähr, edles Fräulein.«
»Ich glaube, neben seinem eigenen Schmerz gab sich Herr Ulrich auch die Schuld an meinem Leid, das er für gleich tief oder gar tiefer als das seine einschätzte. Ich aber, Meister Hardo, bemerkte mehr und mehr, dass meine Neigung
ihm gegenüber wuchs. Er hatte eine furchtbare Verwundung überlebt, sein Freund war gefallen, sein Lehen verpfändet. Er musste als Vasall des Herzogs Wilhelm Hofdienst in Jülich machen, abhängig von den Launen dieses Ver … dieses Mannes.«
»Herzog Wilhelm hatte nicht den besten Ruf. Der eines streitsüchtigen Verrückten passt ganz
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