Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Arme lagen auf meinem dunklen Leib. Hier und da hatten sich auf ihrer zarten Haut rote und blaue Flecken von dem Sturz in den Geheimgang gebildet, aber sie schien die Schmerzen vergessen zu haben. Träge maunzte sie und schlug die Augen auf.
Sie lächelte. Und sang leise:
»›Ich war ein Kind, so wohl getan,
virgo dum florebam …‹
Verdammte Linden?«
Jetzt kicherte sie sogar.
»›Die Minne drängte sehr den Mann,
ludum faciamus.‹«
Sie hob die Hand und zog mit dem Finger versonnen die feine Linie meines Bartes nach. Ich zuckte etwas zusammen, als sie die geprellte Stelle am Kinn traf.
»Oh, hast du dich gestoßen?«
»Überall, aber da nicht. Das war eine Faust.«
Sie gluckste leise.
»Raufbold!«
»Ich nicht.«
»Wer hat dich geprügelt?«
»Dein Herr Vater.«
»Au weh, das habe ich geahnt.«
»Er war um deine Ehre besorgt.«
»Nun ja, dann hast du ja im Voraus bezahlt.«
»Es hat sich gelohnt«, flüsterte ich in ihre Haare. Sie aber strich mir über die Brust und murmelte dann: »Du hast breite Schultern bekommen. Erst dachte ich, das läge nur an dem protzigen Wams mit den Fuchsschwänzen.«
Ich lachte leise.
»Nein, die Schultern sind echt und bedürfen keiner Polsterung. Aber du hast auch die eine oder andere anmutige Rundung bekommen.«
Äpfelchen, dachte ich und schloss meine Hand um ihren Busen.
Und er da unten stand stracks wie ein junges Bäumchen.
Line bemerkte es und kicherte.
»›cuspide erecta …‹«
Ich strich ihr über die sacht gerötete Wange.
»Ja, ja, ein Verräter. War er schon immer.«
»Wir könnten …«
»Könnten wir, Line, und ich verspreche dir, später gerne wieder zu Diensten zu sein, wenn du es wünschst, meine Herrin. Doch es ist an der Zeit, sich mit einer anderen Kleinigkeit zu befassen.«
Schlagartig wurde auch sie ernst.
»Ja, eine Kleinigkeit. Warum, Hardo? Warum wollte Cuntz mich umbringen?«
»Mich, nicht dich, Line. Du warst nur Mittel zum Zweck. Ein ziemlich kluger Plan von diesem Tropf. Wenn man uns vermisst, wird es heißen, wir beide wären durch den Geheimgang geflohen, um unser altes Vagantenleben wieder aufzunehmen.«
»Das glaubt doch keiner.«
»Wer weiß? Menschen glauben vieles, wenn man es ihnen nur überzeugend darstellt.«
»Na gut, aber warum will Cuntz dich ermorden?«
»Weil er gemerkt hat, dass ich mehr weiß, als er möchte. Line, mein Vater ist vor zehn Jahren auf Grund seiner Aussage verurteilt und gehenkt worden.«
»Aber dein Vater hat den Burgherrn gar nicht umgebracht, nicht wahr? Der Pächter hat falsches Zeugnis abgelegt.«
»So ist es. Ich weiß zwar noch immer nicht, warum, aber das werde ich noch herausfinden.«
»Darum bist du hier, nicht wahr?«
»Ja, darum bin ich zurückgekommen. Und darum ist auch Ulrich von der Arken hier. Die Lehnsvergabe ist nur ein passender Anlass.«
»Was ist mit dem Verwalter?«
»Wäre er nicht vom Bergfried gefallen, hätte Ulrich vermutlich einen anderen Grund gefunden, die Anwesenden zusammenzuhalten.«
»Du glaubst nicht, dass mein Vater den Sigmund gestoßen hat, nicht wahr?«
»Nein, das glauben weder Ulrich noch ich.«
»Was werden wir jetzt tun?«
»Unsere Kleider anlegen, sie sind einigermaßen trocken. Und dann dafür sorgen, dass wir möglichst ungesehen in die Burg zurückgelangen.«
»Wie willst du das machen? Der Gang ist voll Wasser.«
»Ja, aber es gibt das eine oder andere wachsame Augenpaar in der Burg. Ismael weiß, dass ich in Gefahr schwebe, er wird nach mir Ausschau halten. Wie ich ihn kenne, hat er auch Dietrich und Puckl dazu überredet.«
»Du bist ein vorsichtiger Mann geworden, Hardo.«
»Nicht immer, Line. Aber in diesem Fall schon.«
Mit Hilfe treuer Freunde
Unsere Kleider waren zwar noch ein wenig klamm, aber innere und äußere Wärme machten diesen Mangel erträglich. Wir lenkten unsere Schritte zur Wehrmauer hin, und ich blickte suchend zu den Zinnen empor. Die Wachen wanderten langsam von einem Turm zum anderen; der Dienst war nicht besonders aufregend, und offensichtlich hatte auch noch niemand unser Verschwinden zum Anlass genommen, sie zu alarmieren.
»Wie kommen wir denn da nur ungesehen rein?«, fragte Engelin.
»Ich denke, mit einem langen Seil. Allerdings fürchte ich, dass wir dazu noch ein weiteres Bad werden nehmen müssen.«
Engelin schniefte.
»Sei kein Frosch!«, neckte ich sie.
»Weder Frosch noch Kröte.«
»Nein, Kröte nicht mehr.«
Sie piekte mich mit dem Finger in die Rippen, und ich zuckte
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