Das Spiel des Saengers Historischer Roman
verschnürt, und ein Knebel hinderte ihn an etwaigen Protesten. Ich winkte Ismael, der vor der Tür stand, herein, und wir zogen ihm noch zwei Mehlsäcke über, einen über den Kopf, den anderen über die Beine, und befestigten beide mit einem Hanfseil in seiner Mitte.
»Häng du das Schwein wieder an den Haken, Ismael. Wär schade um das schöne Fleisch. Ich bringe dieses Lumpenpack zu seiner neuen Behausung.«
Ismael half mir noch, mir den Bewusstlosen über die Schulter zu legen, dann schleppte ich ihn den kurzen Weg durch den Küchengarten zum Bergfried. Doktor Humbert hinkte an seinem Gehstock über den Hof und beobachtete mich misstrauisch, aber ich mied seinen Blick. Der Mann würde eine Erklärung für mein Handeln aus den Sternen ablesen müssen. Ich erklomm die Stiege, Puckl öffnete mir die Tür. Dietrich wartete schon am Verlies und hatte die Angstluke hochgehoben. Ich legte meine Last auf dem Boden ab.
»Werfen wir ihn in den Kerker? Oder lassen wir ihn am Seil runter?«
»Wisst ihr, dieser Kerl hat Line den Schacht hinuntergestoßen.«
»Ach ja?«
Puckl gab dem verpackten Pächter einen derben Fußtritt, und der schlug unsanft auf dem strohbedeckten Boden auf. Da er daraufhin zappelte, hatte er sich wohl nicht den Hals gebrochen.
Wir legten den Deckel wieder auf die Luke.
»Und nun?«
»Nun werde ich deinen Herrn mal über die Vorgänge in Kenntnis setzen, Dietrich. Ihr aber hüllt euch in tiefstes Schweigen darüber, wenn ich bitten darf.«
»Selbstverständlich.«
»Ehrenwort.«
»Klar, Meister!«
»Ach, und Ismael - schwatz Ida etwas von ihrer Heilsalbe ab. Jungfer Engelin hat sich ein paar schmerzhafte Prellungen zugezogen.«
»Vom Sturz, Meister?«
»Ausschließlich vom Sturz!«
Aber dieser Teufelsbraten hatte ein Glitzern in den Augen, das mir seine Gedanken viel zu genau verriet.
Na und?
Ulrich saß in dem Raum, in dem der Verwalter seine Bücher und Verträge aufbewahrte, und machte Aufzeichnungen auf einer Schiefertafel. Er sah überrascht auf, als ich eintrat.
»Eine ungewöhnlich bäuerliche Gewandung, Hardo.«
»Der Not gehorchend. Können wir dem Söller des Bergfrieds einen Besuch abstatten, Ulrich?«
»Zu welchem Zwecke?«
»Der Aussicht wegen.«
»Mhm.«
Er legte den Griffel nieder und erhob sich. Schweigend stiegen wir zum Söller empor. Der Himmel war dunstig geworden, der Blick über den Rhein getrübt.
»Es könnte ein Gewitter geben«, sagte ich.
»Ja, die Luft wird schwer.«
»Und die Menschen noch gereizter als bisher.«
»Auch das. Aber ich nehme nicht an, dass Ihr hier oben, fern von den lauschenden Ohren, mit mir darüber sprechen wollt.«
»Nein. Ich wollte Euch mein heutiges Abenteuer berichten.«
Ich tat es in aller Gründlichkeit und ließ nur wieder ein
kleines Zwischenspiel aus. Ulrich hörte mit unbewegter Miene zu, aber seine Fäuste ballten sich einige Male.
»Ich habe mir erlaubt, das Verlies zu nutzen«, schloss ich die Erzählung.
»Sehr vernünftig. Cuntz also.« Er wischte sich über das vernarbte Gesicht. »Cuntz, der durch seine falsche Aussage Euren Vater dem Tod geweiht hat. Und ich hirnloser Idiot habe ihm damals geglaubt, ohne weitere Untersuchungen anzustellen. Hardo, Ihr ahnt nicht, wie sehr mich das heute schmerzt.«
»Es ist geschehen.«
»Ja, und es gilt jetzt, den Fehler wiedergutzumachen, soweit es irgend möglich ist. Ihr habt Cuntz festgesetzt. Wie sollen wir weiter mit ihm verfahren?«
»Ihr lasst am besten verlautbaren, dass Ihr ihn mit einem dringenden Auftrag fortgeschickt habt.«
»Das kann ich tun. Aber über kurz oder lang müssen wir Gericht über ihn halten.«
»Er wird gesprächiger sein, wenn er eine Weile Bedenkzeit hatte. Das ist der eine Grund; der andere ist, dass wir ihm die richtigen Fragen stellen.«
»Dass ich endlich die richtigen Fragen stelle, meint Ihr.«
»Das auch.«
Der Ritter ging zur anderen Seite des Bergfrieds, schaute über das dunstige Land und kam zurück.
»Cuntz hat Eurem Vater Gerwin die Schuld an Eberharts Tod gegeben. Gerwin aber hat Eberhart nicht umgebracht. Es gab einen anderen, der ihn ermordet hat und dem diese Lösung gerade recht kam.«
»So ist es.«
»Hat Cuntz selbst den Burgherrn erstochen?«
»Nein.«
»Ihr wisst, wer es war, nicht, Hardo?«
»Ich weiß es, kann es aber nicht beweisen.«
»War es einer der Anwesenden?«
»Ja.«
»Ein Meister der Auslassung!« Bitter lächelte mich Ulrich an. Und dann wurde er plötzlich ernst. »Verflucht, es
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