Das Spiel des Saengers Historischer Roman
bemerkt haben, wenn der Vogt einen toten Mann mitgebracht hätte.«
»So ist es, Ismael. Sie hätten es bemerken müssen«, sagte Ulrich. »Und sie werden sich erinnern müssen, wann und wie Eberhart von Langel vor zehn Jahren die Burg betrat.«
»Das Gedächtnis ist ein wankelmütiger Geselle«, murmelte ich. »Und anfällig für Münzen und Chimären.«
»Ich werde sie morgen noch einmal befragen.«
»Sofern überhaupt noch welche unter ihnen sind, die damals hier ihren Dienst taten. Euer Angriff …«
»Scheiße«, sagte der Ritter.
»Tja. Und Sigmund wird schon dafür gesorgt haben, dass die anderen Männer anderweitig in Brot stehen.«
»Wenn er klug war.«
»Bleibt noch Cuntz.«
»Bleibt noch Cuntz. Und je präziser unsere Fragen an ihn sind, umso weniger kann er sich herauswinden«, sagte Ulrich mit Bedacht.
Ismael aber war gedanklich schon wieder zu einer anderen Szene gewandert, und ich zollte ihm Anerkennung, als er seine Frage stellte.
»Wer hat den Leichnam des Burgherrn hergerichtet? Er hat ein schönes Grab bekommen, und man wird ihn in allen Ehren bestattet haben.«
»Natürlich tat man das. Vermutlich brachten die Knappen ihn in sein Gemach, die Frauen wuschen und kleideten ihn, und der Kaplan bahrte ihn auf«, sagte ich.
Ulrich stand auf und ging unruhig im Gemach auf und ab. Dann öffnete er die Läden, und ein frischer Wind ließ die Flammen der Lampen flackern. Das Gewitter hatte sich verzogen, es tröpfelte nur noch von den Dächern. Die Frösche quakten wieder lauthals im Graben.
»Es haben demnach eine ganze Reihe von Leuten geschwiegen, die mit mir hätten sprechen können«, sagte er schließlich.
»Man schweigt aus verschiedenen Gründen, Ulrich - aus
Feigheit und Angst, aus Scham und Loyalität, aus Billigung oder aus Vorteilsnahme.«
»Mein Gott, was für ein Sumpf!«, fuhr er plötzlich auf.
»Ja, ein stinkender Sumpf, in dem schon ein weiterer Mann versunken ist und in dem meine Herrin und ich heute beinahe ertrunken wären.«
Er nickte.
»An der Stelle hinter der Kapelle ist der Wassergraben ein Stück eingesackt.«
»Der Gang ist verschüttet. Gut so.«
»Könnte ihn jemand so hergerichtet haben?«
»Nein, ich glaube nicht, Ulrich. Er ist sehr alt, der Boden hier besteht aus Sand, und das Holz der Stützen, die man damals verwendet hat, wird durch die ständige Feuchtigkeit morsch geworden sein. Schon vor acht Jahren, als ich den Gang benutzte, sickerte Wasser von oben herein. Aber Ihr habt heute mit dem Kaplan gesprochen. Kennt er das Geheimnis unter seinem Altar?«
»Er war vom Donner gerührt, als ich es ihm offenbarte.«
»Vor Entsetzen, dass es den Gang gibt, oder darüber, dass Ihr davon wusstet?«
»Das weiß ich nicht zu ergründen. Aber inzwischen glaube ich, Letzteres hat ihn erschüttert.«
»Wir werden ihn noch ein bisschen mehr erschüttern, morgen oder übermorgen«, sagte ich, stand ebenfalls auf und stellte mich neben Ulrich an das Fenster.
»Und nun lassen wir für heute die Toten ruhen, Ulrich. Auch die Lebenden haben ein Recht auf unsere Aufmerksamkeit. Ist Euch nicht aufgefallen, wie anmutig das edle Fräulein Casta heute bei dem Mahl ausgesehen hat?«
Es zuckte etwas im Gesicht des Ritters, vielleicht war es ein Lächeln.
»Ich habe nur bemerkt, dass die Jungfer Engelin Euch Blicke zuwarf, die so ganz anderes schienen als die Tage zuvor. Ihr habt eine recht lange Weile im Lindenhain verbracht, nicht wahr?«
»Unsere Kleider mussten trocknen.«
»Natürlich.«
Jetzt lächelte er wirklich.
»Angesichts des Todes erkennt man die Wahrheit.«
»Erkannt, Ulrich, hatte ich sie schon lange. Und meine Herrin ebenso. Aber sie zugeben, das wollte die dornige Rose bislang noch nicht.«
»Sie ist eine mutige junge Frau.«
»Wie auch die edle Casta von Langel.«
»Ja, verdammt. Aber ich bin ihrer nicht wert.«
»Und im Angesicht des Todes?«
Er schwieg.
Ich sagte: »Mein Freund, der Domgraf, hat für sie gesprochen.«
»Ihr wisst das?«
Ich grinste Ulrich an.
»Als Minnesänger, werter Ritter, genießt man das Vertrauen der Weiber.«
»Sie hat sich Euch anvertraut?«
»In einer stillen nächtlichen Stunde.«
»Hardo?«
Ich überlegte, ob ich seine offensichtliche Eifersucht noch etwas mehr reizen sollte, aber dann dachte ich an die Hoffnungslosigkeit, die ich letzthin in seinem Gesicht gesehen hatte, und ließ Gnade walten.
»Ich traf sie um ihre unerfüllte Liebe weinend auf dem Wehrgang. Just in der Nacht, die den Tag
Weitere Kostenlose Bücher