Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Man hatte uns ein breites Lager gerichtet, Strohmatratzen mit weichen Decken, Pelzen und Polstern. In eine geschnitzte Truhe hatte Ismael meine Kleider
gelegt, an der Fensterwand luden eine gepolsterte Bank und zwei Scherensessel zum Sitzen ein, der Holzboden war sauber gefegt, das Bogenfenster bleiverglast wie auch jene im Rittersaal und hatte hölzerne Läden, die ich indessen offen ließ. Ich legte das Barett ab, trat an das Fenster und öffnete es. Von hier hatte man einen Blick über die dunkle Landschaft. Das Dörfchen lag schlafend zu meinen Füßen, dahinter schimmerte die weite Biegung des Rheins, der hier eine seiner vielen Schleifen bildete. Hoch droben am Himmelszelt zog noch immer der Schweifstern seine Bahn.
Der Tag war ereignisreich gewesen, und ich bedurfte des Nachdenkens. Müde löste ich den Gürtel meines Wamses und legte es ab. Doch nur im Leinenhemd war es zu kalt in diesen steinernen Mauern. Unter den wenigen Kleidern, die ich mitgenommen hatte, befand sich ein weinroter Surkot aus Wollstoff. Kaum, dass ich das Gewand übergestreift hatte, klopfte es an der Tür.
Die Stunde des Nachdenkens war noch nicht gekommen. Ritter Ulrich trat ein, gefolgt von Dietrich, der einen Korb mit Pasteten, und Ismael, der einen Weinkrug trug.
»Gewährt mir noch ein paar Worte zur Nacht, Meister Hardo«, sagte der Ritter, und ich machte eine einladende Geste zu der Bank am Fenster. Dietrich verschwand, und Ismael machte Anstalten, ihm zu folgen.
»Bleib, Junge.«
Er hockte sich still mit gekreuzten Beinen auf das Lager.
Der Ritter hingegen blieb am Fenster stehen, offensichtlich ebenfalls in den Anblick des fallenden Sternes versunken. Dann drehte er sich um und fragte: »Glaubt Ihr, dass es ein Unglücksomen ist?«
»Der Stern? Nein. Unglück kommt, mit oder ohne Stern. Dieser hier erschien vor gut einer Woche und wird bis zum Ende dieser wieder verschwunden sein.«
»Wer versichert Euch das?«
Ich hob die Schultern.
»Ich sprach vor einiger Zeit mit einem Astrologen, der
sich für diese Erscheinungen interessierte. Im Morgenland hat man solche Sterne schon länger beobachtet und Aufzeichnungen dazu gemacht.«
Ritter Ulrich nickte. Ob er meine Aussage guthieß oder nicht, zeigte er nicht.
»Aber Unglück - oder zumindest Unruhe verbreitet er doch, Meister«, warf Ismael leise ein.
»Ja, Unruhe verbreitet er. In dem Dorf unten hat ein Wanderprediger eifrig die Angst geschürt. Es könnte sein, dass einige der Pächter, der Bediensteten und der Bauern in den nächsten Tagen mehr beten als arbeiten.«
»Damit beschwören sie natürlich ihr eigenes Unglück herauf«, knurrte der Ritter. Ich erlaubte mir ein kleines Lachen.
»Mögt Ihr von den Pasteten, Meister?«, fragte Ismael hoffnungsvoll.
»Sicher. Ich hatte ja keine Möglichkeit, die Vorräte zu plündern wie du. Ich habe die Gäste unterhalten.«
Aus dem Korb wählte ich mir eine knusprige Teigtasche und biss hinein.
»War die Unterhaltung in Eurem Sinne, Herr Ulrich?«, fragte ich dann den Ritter, der noch immer angespannt den Nachthimmel betrachtete.
»Ihr habt meine Erwartungen erfüllt, Meister Hardo, ja.«
»Und welches waren Eure Erwartungen? Ein schlüpfriges Liedchen oder die Mär über einen tumben Tor, der auszog, die Weiber zu betören?«
»Beides, Meister Hardo. Und dazu das, was der Blick Eurer scharfen Augen Euch dabei offenbart hat.«
Also ein Beobachter, das sollte ich sein.
»Ja, die eine oder andere Beobachtung habe ich gemacht, Herr Ulrich.«
»Was fiel Euch auf?«
Ich lächelte kühl.
»Was sollte mir denn auffallen, Herr Ulrich?«
Der Ritter lehnte sich an die Wand und sah mich lange an.
»Ihr seid misstrauisch.«
»Hättet Ihr mein Vertrauen verdient, Herr Ulrich?«
»Nein, noch nicht. Aber meine Aufgabe hier, Meister Hardo, ist nicht einfach. Ich muss mir ein Urteil darüber bilden, an wen das Lehen vergeben werden soll. Und dabei bin ich auf Eure Hilfe angewiesen. So kann ich also nichts anderes tun, als Euch zu bitten.«
Die Pastete war köstlich, ich nahm mir eine zweite und goss mir auch einen Becher Wein ein. Unhöflich, wie ich war, bot ich dem Ritter nichts an. Aber eine magere Auskunft gab ich ihm.
»Die Buhle des Höflings Lucas van Roide vergibt ihre Gunst recht großzügig. Der Burgvogt Sigmund schien angetan davon. Lucas weniger.«
»Der Höfling hat den Vogt höchst unhöfisch einen geilen Sauhund genannt«, flocht Ismael genüsslich ein und langte unaufgefordert in den Korb.
»Das ist
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