Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Baumeister von der Natur abgeschaut haben mochten, wenn sie die Visionen ihrer Kirchen im Mauerwerk nachbildeten.
Zwei Eichhörnchen spielten Haschen den Stamm einer Eiche hinauf und hinunter, ein Häher glitt lautlos unter dem Laubdach zu seinem Hort. Der aufgewühlte Boden an einer schlammigen Pfütze zeigte mir, dass sich hier Wildschweine gesuhlt hatten. Die Bauern würden nicht sehr glücklich sein, wenn sie den Wald verließen und die Ernte für sich beanspruchten. Aber sie konnten wenig tun; das Wild im Bannwald gehörte dem Erzbischof von Köln. Und die Strafen auf Wilderei waren hart.
Dennoch gab es immer wieder Männer, die das Risiko eingingen - der Erzbischof selbst jagte selten in diesem Gebiet, und Wild gab es reichlich. Die Versuchung war groß, sich Fleisch und Felle zu besorgen. Man durfte sich eben nicht erwischen lassen.
Ich ritt einen schmalen Pfad entlang, ausgetreten von den Menschen, die den Wald zu ihren Zwecken nutzen durften. Den Holzsammlern, den Zeitlern, die aus den Bienenstöcken den Honig holten, Kindern, die Beeren pflückten, den Kräuterkundigen, die um die Wirkung von Pilzen, Blättern, Wurzeln und Borken wussten, und anderen, die ihren Nutzen aus der Fülle der Natur zu schöpfen vermochten.
Es war still unter den dicht belaubten Bäumen. Nur das Vogelgezwitscher und dann und wann das Keckern der Eichhörnchen unterbrach das Schweigen. Gedankenverloren ließ ich mein Ross seinen Weg suchen und gab mich der Freude an der friedlichen Natur hin. Das Geißblatt verströmte aus seinen gelblich weißen Blüten seinen weichen Duft, unter den alten Eichen hatten sich breite Flecken von Maiglöckchen gebildet, aber hier und da mischte sich auch der Knoblauchgeruch des Bärlauchs in die blumige Süße. Sonnenstrahlen flirrten durch das junge Laub und wärmten
mir Haupt und Rücken. Leichtsinnig, wie ich war, genoss ich das Gefühl der Vertrautheit mit dem Wald.
Leichtsinnig und unaufmerksam war ich.
Sträflich unaufmerksam.
Nur ein tief verborgener Instinkt, die innige Vertrautheit mit dem Wald und seinen Geräuschen, ließ mich die Veränderung wahrnehmen.
Ein Rascheln, ein leises Quietschen.
Ich hieb meinem Ross die Fersen in die Seite.
Es stieg auf die Hinterhand.
Das Surren verklang und endete mit einem kleinen Plopp hinter mir.
Der Dolch lag schon in meiner Hand, als ich in die Richtung preschte, aus der der Armbrustbolzen gekommen war.
Mutig, meint Ihr?
Nein, es braucht seine Zeit, um eine Armbrust für den nächsten Schuss zu spannen.
Der Schütze jedoch schien das nicht in Erwägung zu ziehen. Ich sah seine Spuren im feuchten Boden. Sie verschwanden im Dickicht.
Dort hinein wollte ich ihm nicht folgen.
Wieder machte ich kehrt und nahm den Pfad zurück aus dem Wald. Schnell diesmal, denn noch einmal wollte ich nicht in den Hinterhalt geraten. In offenem Gelände war ein Angriff weniger wahrscheinlich. Dennoch blieb ich wachsam.
Doch niemand außer einem Schafhirten, zwei schnatternden Gänsehüterinnen und einem Wanderkrämer begegnete mir.
Nur einmal sah ich in der Ferne einen Reiter im gestreckten Galopp auf die Burg zureiten.
Ich würde herausfinden, wer es war. Denn die Wette, dass dieser Reiter wusste, wie man eine Armbrust bediente, würde ich jederzeit eingehen.
Ich ritt langsamer, um ihm einen Vorsprung zu lassen. Und um meine Gedanken zu ordnen. Mein Erscheinen in
Langel hatte etwas aufgeweckt, schneller und drastischer, als ich es erwartet hatte. Ich würde auf der Hut sein und noch genauer beobachten müssen. Offensichtlich hatte sich jemand an eine frühere Begegnung mit mir erinnert. Und wollte sichergehen, dass ich es meinerseits nicht tat. Derjenige musste meinen Ausritt beobachtet haben und mir gefolgt sein. Ich überlegte, ob mir irgendjemand aufgefallen war, aber dummerweise hatte ich mich sicher gefühlt, als ich meinen Gedanken über Handel und Wandel nachgehangen hatte, ohne meiner Umgebung große Aufmerksamkeit zu schenken. Fahrlässig, Hardo, sehr fahrlässig. So wurde man zu leichter Beute. Kurz erwog ich, dem Ritter von dem Anschlag zu berichten. Aber mein Misstrauen siegte. Es mochte vorerst besser sein, über diesen Vorfall zu schweigen.
In langsamem Schritt näherte auch ich mich nun der Burg. Das scheppernde Glöckchen der Dorfkirche kündigte misstönend den Mittag an, und ich fiel in einen eiligen Trab. Kurz darauf gab ich Dietrich die Zügel in die Hand, der sich erbot, das Tier abzusatteln und in den Stall zu bringen. Dann
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