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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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hatte ganz große Augen bekommen.
    »So ist es. Und nun sage mir, Junge, wie stellst du dir Gott selbst vor?«
    Das war eine so ungeheuerliche Frage, dass der arme Tor
vollkommen stumm auf seine großen Füße starren musste. Und da er nicht antworten konnte, schlich ihn wieder die Angst an, der Gutsherr mochte ihn wegen seiner Dummheit strafen. Doch der wartete nur geduldig und kraulte den struppigen Hund weiter. Darum raffte der junge Held allen Mut zusammen und flüsterte: »Ich weiß nicht, Herr.«
    »Nein, du weißt nicht. Hast du einen Vater, Junge?«
    Der Jüngling schluckte, und seine Schultern fingen an zu zucken.
    »Er … er ist tot.«
    »Aber du hast ihn gekannt.«
    »Ja.«
    Zu seiner Überraschung ging der Gutsherr nicht weiter darauf ein, sondern erklärte: »Du wirst nun das ›Vaterunser‹ erst in der deutschen Sprache auswendig lernen, damit du seinen Sinn verstehst, und dann in seiner lateinischen Form, damit du in der Kirche mitbeten kannst. Höre, es lautet:
    ›Vater unser, der Du bist im Himmel,
    Geheiligt werde Dein Name,
    Dein Reich komme,
    Dein Wille geschehe,
    Wie im Himmel so auch auf Erden.‹
    Sprich mir nach und memoriere jedes einzelne Wort!«
    Der Gutsherr übte so lange mit dem jungen Mann, bis er das Gebet fehlerfrei aufsagen konnte. Danach übte er mit ihm das Paternoster auf gleiche Weise ein. Der Nachmittag war darüber vergangen, und in dieser Nacht, als der einfältige Bursche sich auf seinem kargen Lager schlaflos hin und her warf, geschah etwas Seltsames mit ihm. Immer wieder und wieder gingen ihm zwei Zeilen des Gebetes durch den Kopf und wollten ihn nicht loslassen.
    »Und vergib uns unsere Schuld,
    Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.«
    Konnte es sein, dass ein Gott so gütig war, den Sündern zu vergeben? Man hatte ihn Gottesfurcht gelehrt, tagein, tagaus. Der Allmächtige sah alles und wusste um jede Verfehlung
und strafte und grollte, wenn man seinen Weisungen nicht folgte. Wie auch sein Vater es getan hatte. Und am Ende aller Tage würde er in der Hölle für all seine Sünden braten und von den Dämonen und Teufeln auf ewig gequält werden. So war es ihm vorbestimmt, so hatten die unseligen Sterne sein Schicksal für ihn eingerichtet.
    Dennoch, dieser Mann heute, der so ehrfurchtgebietend auftrat, dessen jeden noch so leisen Befehl, ja jede Bitte alle umgehend befolgten, der hatte die Güte besessen, ihn die Bedeutung der Zauberworte zu lehren, geduldig und ohne Schelte und Schläge.
    Als ihm der Wert der Güte aufging, drehte der junge Held sich zur Wand, rollte sich wie ein kleines Kind zusammen und weinte.
     
    Ich hielt inne mit meiner Geschichte und ließ die Laute erklingen. Doch bevor ich den Text singen konnte, kam Ida zu mir an die Stufen, kniete nieder und bot mir ein Körbchen mit Gebäck. Ich legte die Laute zur Seite, und sie ergriff meine Hand.
    »Für Euch, Meister. Süße Mandelkuchen.«
    Während sie das sagte, liefen ihr die Tränen aus den Augen. Es lag eine solche Trauer in ihrem Blick, dass ich nicht anders konnte, als ihre Wange sacht zu streicheln.
    »Grämt Euch nicht, Ida. Es ist nur eine Geschichte aus alter Zeit«, sagte ich leise.
    Sie neigte den Kopf und küsste meine Hand.
    »Möge der Herr uns unsere Schuld vergeben.«
    »Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Erhebt Euch, Ida. Man fängt an zu tuscheln.«
    Sie stand auf und ging mit lautlosen Schritten zu ihrem Platz hinten an der Tafel zurück. Ich aber nahm die Laute erneut zur Hand. Es war an der Zeit, die Gemüter wieder etwas aufzuhellen, denn neue Abenteuer standen bevor. Also sang ich die Worte zu der heiteren Weise, die ich gespielt hatte:
    »Die Nachtigall, sie schweiget
Ihr hoher Sang sich neiget
Den ich wohl hörte singen.
Doch tat mich sanfte Güte dingen
Die ich von einer Fraue hab.
Ich kehr mich niemals von ihr ab,
Biet ihr den steten Dienste mein.
So will ich nun und immer sein.« 7
    Noch einmal fuhr ich über die Saiten, ließ die Melodie ausklingen und warf einen raschen Blick zu einer hartherzigen Jungfer, die gelangweilt einen Kuchen zerkrümelte. Dann erzählte ich weiter und ergötzte mein Publikum mit der Begegnung mit einem Lindwurm.
Aufbruch in die Gefahr
    Die fromme Gesinnung des jungen Mannes hielt nicht lange vor, wenngleich er die Welt nun mit anderen Augen sah. Nichtsdestotrotz sahen diese Augen auch die hübsche Milchmagd, die auf dem Gut tätig war, und weil diese ein freundliches Wesen hatte und manches lustige Wort für ihn fand, träumte er

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