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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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grauenvoll aber musste sein Auftreten sein, wenn er angegriffen wurde. Dann schossen Flammen aus seinen Nüstern und versengten seine Gegner, giftiger Schleim troff aus seinen Lefzen, und sein dornenbesetzter Schwanz riss wie eine Peitsche ganze Fetzen aus dem Fleisch seiner Feinde.
    Kurzum, der junge Held kam nicht besonders zügig voran, und im Angesicht der dräuenden Berge am anderen Ufer verlor er gänzlich seinen Mut. Ein herbstliches Ungewitter zwang ihn zudem, Obdach zu suchen, und so sprach er auf einem Gutshof vor und bot seine Dienste an. Das Glück war ihm hold: Man brauchte helfende Hände bei der Weinlese, und als sich zeigte, dass er mit den Pferden eine gute Hand hatte, durfte er auch weiterhin als Gehilfe des Stallmeisters arbeiten. Dieser war ein kräftiger, kundiger Mann, von dem er das eine oder andere lernte, und auch das übrige Gesinde behandelte ihn freundlich. Der Gutsherr indes war ein seltsamer Mensch, wollte ihm scheinen, ein gestrenger Herr mit weißem Haar und Bart, doch schwarzen Brauen, die er im Grimm zusammenziehen konnte.
Der Simpel fürchtete sich lange Zeit vor ihm, und als er einmal Zeuge wurde, wie ein nachlässiger Knecht unter seiner Strafrede zu einem winselnden Häuflein zusammensank, kniete er nieder und sprach, wild Kreuze schlagend, die schützenden Worte vor Fluch und Unheil, die man ihm in der Kirche beigebracht hatte.
    Doch ausgerechnet damit zog er den blitzenden Blick der kalten grauen Augen auf sich, und der Herr näherte sich ihm mit großen Schritten.
    »Was murmelst du da für Sprüche, Kerl?«
    Mit bebender Stimme flüsterte der Tropf: »Pattanosta, Herr, Kiesinkelis. Sanktifix!«
    »Was?«, donnerte der Herr. Dem Jungen versagte die Stimme; er konnte nur noch zittern. »Wer hat dir die Worte beigebracht?«, kam es dann etwas ruhiger.
    »D … der P …Priester, Herr. Sie sind heilig, Herr, hat er gesagt.«
    »Tatsächlich. Und warum sprichst du sie im Angesicht meiner Strafpredigt aus, Junge?«
    Das klang noch etwas milder, und dem Burschen gelang eine gestammelte Antwort, dergestalt, dass er sich vor dem Zorn des Allmächtigen habe schützen wollen. Mit fassungslosem Unglauben erkannte er in den Augenwinkeln des Gutsherrn einige Fältchen, die beinahe so aussahen, als erheitere ihn seine Antwort.
    »Man hat dir nie erklärt, welche Bedeutung diese Worte haben, mein Junge?«
    »Nein, Herr, nur dass sie heilig sind.«
    »Bist du zur Schule gegangen?«
    Das war eine Frage, die dem Helden höchst unangenehm war, denn einst hatte man ihn auf eine Klosterschule geschickt, wo man von ihm verlangt hatte, lateinische Texte auswendig zu lernen. Und hatte er doch ein gutes Gedächtnis für abenteuerliche Geschichten über Lindwürmer und andere Ungeheuer. Aber Sätze in einer ihm nicht verständlichen Sprache prägten sich ihm nicht gut ein. So
war er denn nach wenigen Wochen aus der Schule davongelaufen, um wieder in den Ställen bei den Pferden zu helfen. Man schickte ihn nach einer Tracht Prügel zurück, aber auch ein zweites Mal blieb er nur wenige Tage in der Obhut der Mönche. Man züchtigte ihn abermals, nannte ihn einen unfähigen Dummkopf, und beschämt ob seiner Unfähigkeit ging er weiter Pflichten nach oder streunte in den Wäldern umher. Doch dieser Herr hier wollte eine ehrliche Antwort, das spürte er, und er würde sowieso jede Lüge entdecken, das las er in dessen kühlen Augen. Also beichtete er seine schmachvollen Taten.
    »Also keine Bildung. Eine Schande. Und abergläubisch obendrein. Komm mit, Junge!«
    Mit bangen Gefühlen folgte der Jüngling dem Gutsherrn und erwartete, von ihm mit der Gerte oder Schlimmerem durchgeprügelt zu werden. Doch der Herr setzte sich auf eine Bank an der Hauswand und hieß ihn, sich einen Schemel heranzuziehen. In der Oktobersonne leuchteten die Blätter einer Birke golden auf, der struppige Hofhund legte sich dem Herrn auf die Füße und blickte anbetend zu ihm auf. Nachlässig wurde er zwischen den Ohren gekrault.
    »Höre, mein Junge. Auch wenn du nicht Lesen und Schreiben gelernt hast, wenigstens deine Gebete solltest du mit Sinn und Verstand sprechen und sie nicht vor dich hin murmeln wie heidnische Zaubersprüche.«
    »Ja, Herr.«
    »Das, was du Pattanosta nennst, ist das Gebet, das uns Gott der Herr selbst gegeben hat, damit wir seinen Namen und seine Gnade rühmen. Man spricht es in einer Sprache, die Latein genannt wird und die alle gebildeten Menschen auf der Welt verstehen.«
    »Ehrlich, Herr?« Der Simpel

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