Das Spiel des Saengers Historischer Roman
trinken, Alte trinken,
Pfarrer, Hochbestallte trinken,
Er und Sie sich zausend trinken,
Hundert trinken, tausend trinken.«
Der Wein hatte seine Wirkung getan, und diesmal sangen alle begeistert mit. Zweimal musste ich die Strophe wiederholen; die Krüge kreisten, die Becher klirrten, und in tiefen Zügen wurde der schwere Wein getrunken.
Eine ordentliche Bettschwere war nicht zu verachten, wenn die Stimmung gereizt war. So würden bald alle in ihre Kissen sinken und keine weiteren Streitigkeiten beginnen. Auch die Spekulationen um den Wahrheitsgehalt der Geschichte würden sich in Grenzen halten. Dazu war am morgigen Tag noch genug Zeit.
Doch die Fähigkeit, aufmerksam zuzuhören, litt auch unter der Süße des Weines, und so hielt ich den letzten Teil meiner Mär kurz.
Im Verlies
Der Kerker war ein finsteres Loch, und nur einmal am Tag ließen die Wächter eine Kanne Wasser und etwas hartes Brot zu ihnen hinunter. Die Tage liefen für den Helden in - einander, von Wundfieber geschüttelt wollte er weder essen noch trinken, doch sein junger Freund zwang ihn wieder und wieder dazu. Irgendwann heilte die Wunde, klang das Fieber ab. Aber nun setzte die dumpfe Verzweiflung ein. Es schien die Herren der Burg, den Erzbischof und Kurfürsten von Mainz, nicht sonderlich zu interessieren, was mit den beiden gefangenen Räubern geschehen sollte. Vermutlich hatte er vor, sie in diesem feuchten Verlies verrotten zu lassen.
Es war dem trickreichen Bürschchen zu verdanken, dass sich das Schicksal wendete. Der nämlich fing an, den Wächtern wieder und wieder zu erzählen, welch hochgerühmten Sänger sie eingekerkert hielten. Dreist log er von Fürstenhöfen, an denen er gesungen haben sollte, von schönen Frauen, die seiner engelsgleichen Stimme gelauscht hatten, von reichen Gaben, die er für seinen Vortrag erhalten habe. Und er sprach von der kostbaren Laute, die sie doch sicher in dem Lager gefunden hätten.
Zwar schien all dieses bunte Gespinst die Wächter nicht zu beeindrucken - sie zogen die derben Sauflieder vor. Aber die Kunde von dem gefangenen Minnesänger drang in aufmerksame Ohren, und eines Tages wurde das Knotenseil herabgelassen. Der Jüngling war so schwach, dass man ihn hinaufziehen musste. Es hieß, er solle nach Stolzenfels gebracht werden, sagte der Wächter. Er aber bestand darauf, dass sein Diener ihn begleiten müsse. Man
gestand ihm das schulterzuckend zu, und geschwind wie ein Eichhörnchen kletterte der Junge ebenfalls an dem Seil hoch.
Sie durften sich im Trog vor den Ställen waschen und erhielten grobe Kittel, dann wurden sie in Ketten gelegt und über den Rhein gebracht. Vor ihnen ragte auf einem bewaldeten Fels stolz eine Burg auf, und man sagte ihnen, dass sie Werner von Falkenstein gehörte. Doch war es nicht Freiheit, die dieser Herr ihnen gewährte; nein, nicht einmal einen Prozess wegen der Räubereien sollte es geben.
Weit Schlimmeres hatte der Erzbischof von Trier mit dem jungen Helden vor. Und das ihm vorbedeutete Schicksal schien sich vollenden zu wollen.
Damit beendete ich meine Erzählung und sang den Anwesenden noch die letzte Strophe vor.
»Ha, sechs Nummern hier kaum reichen,
wo man wahrlich ohnegleichen,
ohne Maß und ohne Ziel trinkt,
wenn auch voller Hochgefühl trinkt!
So sind aller Braven Spott wir,
also leben stets in Not wir.
Fluch den Spöttern, jenen schlechten,
streicht im Buch sie der Gerechten!«
Nicht alle waren trunken, bemerkte ich dabei. Engelin, Casta und Hildegunda waren nahe zusammengerückt und verließen noch während der letzten Verse den Saal.
Zu gerne hätte ich diese Nacht eine Tarnkappe besessen, um mich in ihre Kemenate zu schleichen - aber wahrscheinlich war es für mein Seelenheil auch diesmal besser, wenn ich ihrem Getuschel nicht lauschte.
Ismael stellte die Trommel ab, und wir sahen zu, wie sich nun auch die anderen schwankend erhoben und zu ihren Unterkünften gingen. Wir warteten, bis der Rittersaal sich
geleert hatte, um nicht von einem von ihnen angesprochen zu werden. Auch Ulrich war geblieben.
»Gestattet Ihr mir, dass ich Euch wieder aufsuche, Hardo?«
»Natürlich. Und bringt Wein mit, ich habe auf mein Quantum so gut wie verzichtet.«
Nächtliche Gespräche
Ulrich brachte den Weinkrug selbst in mein Gemach.
»Nun dürfte es auch dem Letzten klargeworden sein, von wem die Mär handelt«, begann er.
»Spätestens morgen, Ulrich. Heute werden die meisten sehr schnell einschlafen. Ihr habt schweren Wein ausschenken
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