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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
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bewarf. Einer der vier hob den Arm. Es war eine seltsame Geste, halb Befehl, halb respektvoller Gruß, und erst da sah Cat, dass alle vier etwas in der rechten Hand hielten. Es waren keine Messer, sondern kurze Holzstöcke, eine Art Knüppel. Sie rappelte sich auf die Füße, spürte, wie ihr das Adrenalin durch die Adern schoss und die Szene vor lauter Schock vor ihren Augen verschwamm. Wie oft in solchen Situationen war es, als ob sich alles in Zeitlupe abspielte. Niemand sonst schien wahrgenommen zu haben, was dort geschah oder gleich geschehen würde. Was vor ihren Augen geschah, besaß die Gemächlichkeit eines Albtraums, den man ganz allein durchleben musste.
    In diesem Moment zog der Penner eine Karte aus seiner Manteltasche und zerriss sie in zwei Hälften. Und einen Herzschlag später schoss aus dem Boden vor ihm eine Flammensäule empor.

    Sie entzündete sich mit einem dumpfen Knall und breitete sich zu einem Feuerring aus, der den gesamten Platz mit einem gleißenden Licht erfüllte. Die graue Luft über dem Park zitterte vor Hitze, und der Kirschbaum war in glühend goldene Funken gehüllt. Cat machte den Mund auf, wollte schreien, doch kein Laut drang aus ihrer Kehle. Es war, als ob der Atem in ihren Lungen gefroren wäre. Sie wirbelte herum, gestikulierte wild und hilflos in Richtung der Frau mit dem Kinderwagen, die kaum zwei Meter von ihr entfernt war. Die Frau sah in Cats Gesicht, das in einem unterdrückten Schrei verzerrt war, und beugte sich dann gleich wieder über den Kinderwagen. Der Feuersbrunst oder der Gruppe aus vermummten jungen Männern schenkte sie keinerlei Aufmerksamkeit.
    »Warten Sie«, krächzte Cat. »Wir müssen … irgendjemand … wir müssen … jemand muss doch …«
    Aber die Frau hastete schon weiter. Cat stolperte auf das Geländer des kleinen Parks zu und stieß unartikulierte Schreie aus. Das Gras musste mit Petroleum getränkt sein, der Penner hatte ein Streichholz entzündet, das musste es sein … Es kam ihr unglaublich vor, dass nicht der ganze Park in Flammen aufging, aber sowohl der Obdachlose als auch die Umgebung schienen gegen das Feuer gefeit zu sein. In der Zwischenzeit schlichen die jungen Männer auf und ab, immer noch angespannt wartend. Gelegentlich sprangen sie zurück, wenn eine Feuerzunge nach ihnen leckte.
    »Nein! Bitte!«, flehte Cat, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war. Ein Funke landete auf ihrer Wange, und sie
schlug wild danach. Am anderen Ende des Parks stand der andere Junge, die Katze im Augenblick nicht beachtend. Auch er starrte – aber weder auf die Gluthölle noch auf die Kapuzenmänner. Er starrte Cat an, genauso wie das elegante Paar und der Immobilienmakler auf der anderen Seite des Parks. Auf ihren Gesichtern lag Abscheu. Ein Wagen bog um die Ecke, fuhr mit sanft brummendem Motor an ihr vorbei, um den Park herum und dann wieder hinaus auf die Hauptstraße.
    Erst da begriff Cat die Wahrheit, und kalter Horror überkam sie. Niemand sonst konnte sehen, was geschah. Soweit es die anderen betraf, war das einzig Ungewöhnliche an diesem gewöhnlichen Nachmittag dieses verrückte Mädchen, das vor sich hin brabbelte und wild gestikulierend auf etwas deutete, das nicht da war.
    Ungläubig aufkeuchend packte Cat das eiserne Geländer so fest, dass ihr das kalte Metall ins Fleisch biss. Während sie das tat, spürte sie in ihrer rechten Handfläche einen Stich. Das Zeichen des Rades pochte, genauso wie in ihrem Traum. Sie sah seine Konturen, einer silbrigen, schimmernden Narbe ähnlich. Sie schrie auf, schloss die Augen und schlug die Hände über die Ohren, als ob sie alles aussperren könnte, als ob sie noch einmal von vorne anfangen könnte. Und als sie die Augen wieder aufschlug, lag vor ihr ein stiller Londoner Platz. Kein Fleckchen Asche war zu sehen. Die leere Bierdose war verschwunden, gemeinsam mit dem Penner und seinen Angreifern. Cat fiel auf alle viere und würgte.
    Eine Ewigkeit, so kam es ihr vor, kauerte sie neben dem
Geländer. Ihr war speiübel. Nachdem die Welt aufgehört hatte, sich zu drehen, merkte sie, dass sie heftig zitterte.
    »Ähm, alles okay mit dir?«
    Jemand ging neben ihr in die Hocke. Sie zuckte zurück, erkannte dann aber, dass es keiner der Kapuzenmänner mit den Knüppeln war, sondern ein gewöhnlicher Junge, wohl derjenige, der in einem ganz gewöhnlichen Park mit ganz gewöhnlichen Kieselsteinen geworfen hatte. Er hatte ein stumpfes, hartes Gesicht, und die Ränder unter seinen zersplitterten

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