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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
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Fingernägeln waren schmutzig. Aber in seinen Augen lag Sorge. Vielleicht auch bloß Neugier.
    Sie leckte sich über die trockenen Lippen. »Mir war nur ein bisschen schlecht, das ist alles. Jetzt geht’s schon wieder …« Reiß dich zusammen, reiß dich zusammen …
    »Du solltest heimgehen. «
    Seine Augen bohrten sich in ihre. Sie waren sehr dunkel und mit Rändern aus Müdigkeit bekränzt. Er wirkte wie irgendein Typ von der Straße, mit seinen schmutzigen Händen und den formlosen Klamotten, aber sie fühlte sich durch ihn nicht bedroht. Er gehörte zu ihrer Welt. Sie verspürte das heftige Verlangen, sich an ihn zu klammern, so fest wie eben noch an das Geländer.
    Aber was für eine Laune ihn auch zu ihr getrieben haben mochte, sie war schon vergangen. Er war aufgestanden und schlurfte davon.

    Das Zittern und die Übelkeit gingen vorbei. Natürlich taten sie das; Cat war kein Zuckerpüppchen. Sie war nicht der Typ, der bei jeder Kleinigkeit gleich in Ohnmacht
fiel. Sie war auch nicht verrückt. Sie träumte nicht, und auf Drogen war sie auch nicht. Genau das machte ihr ja Angst … Ihre Wange brannte immer noch, wo der Funke sie versengt hatte, und sie konnte den Rauch in ihren Haaren riechen. Das Brüllen der Flammen und die rauen Schreie des Obdachlosen waren so klar und deutlich gewesen wie das beständige Dröhnen des Stadtverkehrs oder das Weinen des Kindes im Kinderwagen.
    Tobys begeisterte Stimme klang in ihrem Kopf wider. Wie hatte er es genannt? Nicht nur ein Spiel. Eine Lebenseinstellung. Ein Tor in eine andere Dimension. Cat stieß einen Ton aus, halb Schluchzen, halb Lachen. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie tatsächlich weinen oder lachen sollte, aber dann tat sie nichts dergleichen. Stattdessen merkte sie, wie in ihr eine fremdartige Wut emporstieg. Ihr Zorn erwärmte sie; sie hieß ihn erleichtert willkommen, ließ es zu, dass er die Angst hinwegschwemmte, bis sie in der Lage war, aufzustehen und wegzugehen. Den Kopf hielt sie aufrecht, und die Hände waren zu Fäusten geballt.
    Toby, dachte sie mit wilder Wut. Ich muss Toby finden.

KAPITEL 4
    Als sie in den Keller des Dark Portal zurückkehrte, war das Tarotbuch weg. Aber neben der Enzyklopädie von Mittelerde steckte ein Umschlag, auf dem ihr Name stand. Cats Herz hämmerte – noch eine Tarotkarte ? Aber alles, was darin steckte, war ein Stück Papier mit einer Handynummer und eine hastig hingekritzelte Nachricht: Hallo Cat! Hoffe, du meldest dich mal (?). Toby.
    Hatte er gewusst, was sie erwarten würde, was sie würde durchmachen müssen, als sie ihn vorhin hier zurückließ? Hatte sich der kleine Scheißkerl die ganze Zeit einen Spaß mit ihr erlaubt? Erneut brandete Zorn auf, und ihr Schädel fing an zu pochen.
    Auf einer Bank, nicht weit vom Laden entfernt, ließ sie sich nieder und wählte die Nummer. Sie unterdrückte den Gedanken daran, was sie tun würde, wenn er nicht ans Telefon ging. Aber er war gleich nach dem zweiten Klingeln dran. Die wachsame Art, wie er »Hallo« sagte, ließ vermuten, dass er auf einen Anruf gewartet hatte. Fest ballte sie die freie Hand zur Faust. »Hier ist Cat. Ich muss dich treffen.«

    »Hallo Cat! Das ist ja toll. Ich meine, es ist toll, dass du dich meldest. Okay, also was hast du …«
    »Vor dem Dark Portal. Sofort.« Dann beendete sie das Gespräch. Sie wagte nicht, noch mehr zu sagen. Und als Toby etwas mehr als zehn Minuten später eintraf, merkte sie, dass sie überhaupt nichts sagen konnte.

    Sie gingen in einen schmierigen Imbiss um die Ecke. Toby schien regelrecht aufzublühen, kaum dass sie den Laden betreten hatten. Er betrachtete die rauchgelben Wände und die schmutzige Plastikeinrichtung fast mit einer Art Besitzerstolz. »Das ist das echte, das authentische Soho«, verkündete er. »So was findet man nicht in irgendwelchen Reiseführern.«
    Cat schaute in ihre Tasse, in der stundenlang gekochter Kaffee schwamm. Greg bekam verschleierte Augen, als er über den Niedergang dessen redete, was er das alte Soho und Bel Sohos Lokalkolorit nannte. Aber da Cat weder eine gestylte Cocktailbar noch eine urige Kneipe betreten durfte und eine Werbeagentur für sie etwa genauso reizvoll war wie ein Bordell, gab sie nicht viel auf dieses Geschwätz. Was wusste dieser Junge mit seiner kultivierten Aussprache und den absurden Retroklamotten schon von alldem ? Vermutlich hatte er bisher ein Leben wie in einem Hochglanzmagazin geführt.
    Toby schien sich an ihrem fortdauernden Schweigen nicht

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