Das Spiel des Schicksals
da?«
»Ich knöpfe mir diesen einarmigen Banditen vor.« Cat fuhr mit dem Finger die Linien von Fortunas Rad auf dem Spielautomaten nach und fühlte ein Pochen, als sich die Münze in ihrer Hand materialisierte. In diesem Moment war es ihr genauso wichtig, gegen diese Maschine zu gewinnen, wie Flora zu finden. »Los geht’s.«
Sobald die Münze im Schlitz verschwunden war, leuchtete es hinter der Glasscheibe auf. Cat zog am Hebel, und die Rollen begannen, sich mit leisem Klicken zu drehen.
Als sie stehen blieben, standen Rad, Schwert, Rad in einer Reihe.
»Verdammt!« Vor lauter Ärger verpasste sie dem Spielautomaten einen Tritt.
»Macht nichts. Versuch’s noch mal.«
Aber wie sehr sie es auch versuchte, wie oft sie auch mit dem Finger die Linien von Fortunas Rad nachzog, sie war nicht in der Lage, noch eine Münze heraufzubeschwören. Auch das Kribbeln auf ihrer Handfläche war verschwunden.
»Vermutlich hat jeder nur einen Versuch«, sagte sie zu Toby. »Jetzt bist du dran. Und beeil dich; vielleicht sitzt Flora schon längst wieder zu Hause und trinkt Tee. «
Das ließ sich Toby nicht zweimal sagen. In seiner Aufregung hätte er beinahe die Münze fallen gelassen, als er sie in den Schlitz stecken wollte. Und nachdem er an dem Hebel gezogen hatte und die Rollen sich gedreht hatten, zeigten sie zum Schluss ein identisches Bild: Dreimal Rad. Toby jubelte. Die Lichter hinter der Glasscheibe fingen an zu blinken.
Cat hastete zur Tür. Der Griff ließ sich mühelos drehen.
»Okay«, sagte sie. »Ich gehe rein. Danke für deine Hilfe und so, aber es gibt keinen Grund, warum du mitkommen müsstest. Das ist meine Sache.«
»Machst du Witze?« Tobys Fuß klopfte nervös auf den Boden, und er hatte sich das Haar zu kleinen, abstehenden Büscheln gerauft, aber auf seinem Gesicht lag ein schiefes Grinsen. »Natürlich gehe ich mit! Du hattest recht, mit dem, was du sagtest: Die Theorie zählt nicht. Es ist nur … na ja, das ist eine ziemlich große Sache, weißt du? Ich meine … wow! Davon habe ich so lange geträumt, okay? Und jetzt passiert es wirklich und …«
Sie packte ihn am Arm und zog ihn mit sich, bevor einer von ihnen seine Meinung ändern konnte.
Zunächst dachte Cat, sie hätten sich geirrt und die Tür würde auf die »wirkliche« Seite hinausführen. Die feuchte und trübe Nacht passte zu dem Abend, den sie hinter sich gelassen hatte, als sie ins Temple House gekommen war. Auch das Durcheinander von Betongebäuden, das sie umrahmte, kam ihr vertraut vor. Wände und Säulen aus schmutzigem Grau ragten rechts und links von ihnen empor. Die Fenster erstreckten sich vom Boden bis in den Himmel. Trotz des bleichen Schimmers der wenigen Straßenlaternen und dem Graffiti-Geschmier an den Wänden schien der Ort völlig verlassen zu sein.
»Puh!«, murmelte Toby. »Ich dachte, hier wäre es ein bisschen … na, du weißt schon.«
»Glamouröser?«, vollendete Cat seinen Satz mit einem sarkastischen Unterton. Aber sie wusste, was er meinte. Sie dachte an das weiche, rosige Morgenlicht auf der anderen Seite der Sonnenuhr, an die sanft schimmernden Räume im Temple House.
Sie war nicht sonderlich überrascht, als sie feststellte, dass die Tür, durch die sie gekommen war, nur in eine Richtung funktionierte. Hier, auf dieser Seite, war sie am Fuß eines Büroturms. Über ihnen befand sich ein schmales Gitter in der Wand, und neben sich sahen sie eine Reihe von Klingelknöpfen. »Ich frage mich, ob es aus allen Spielzügen einen Weg zum Temple House gibt«, sagte Toby nachdenklich. Er wollte auf die Klingeln drücken, aber Cat, beunruhigt durch die Überwachungskameras über ihren Köpfen, hielt ihn davon ab.
»Das spielt keine Rolle. Wir laufen einfach so lange, bis wir eine richtige Schwelle finden.«
»Und schau mal, wer noch hier ist. Volltreffer!« Vor ihnen lag eine freie Asphaltfläche, etwas kleiner als ein Fußballfeld und gesäumt von verkrüppelten, niedrigen Sträuchern. Toby deutete mit der Hand auf die gegenüberliegende Seite.
Und da war sie – Flora. Sie ging mit leicht schwankenden, aber entschlossenen Schritten auf eine Unterführung unter einer breiten Betonbrücke zu. Während Cat und Toby noch zu ihr hinschauten, blieb sie stehen und nahm einen großen Schluck aus der Champagnerflasche, die sie in der Hand hatte.
Toby und Cat wechselten einen Blick und liefen dann
mit langen Schritten auf sie zu. Breite, schmierig wirkende Pfützen standen auf dem Asphalt, und während sie
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