Das Spiel des Schicksals
sie fallen, als sie wegrannte. Mir war klar, dass ich die Karte als Beweismaterial der Polizei hätte aushändigen sollen, genauso wie ich mich als Zeuge hätte melden sollen, aber irgendwie riet mir mein Bauchgefühl davon ab. Und am nächsten Abend, bevor meine Eltern kommen und mich abholen wollten, ging ich wieder zum Turm. Er war abgesperrt und mit großen Warnschildern versehen. Und da stand eine Frau in hochhackigen Pumps und hautengen Hosen mit Leopardenmuster. Zunächst hielt ich sie für eine Art Detektivin oder vielleicht eine Journalistin. Sie stand da
und betrachtete eine andere Karte. Später erfuhr ich, dass es das Ass der Münzen war.«
Cat war mittlerweile mit den Karten so weit vertraut, dass sie die Bedeutung verstand. »Die Wurzel der Erde«, sagte sie langsam, während sie über die Zusammenhänge nachdachte. »Marlow hat die Karte benutzt, um ein Erdbeben herbeizurufen. Er war der Ritter der Münzen, und Mia gehörte zu den Kelchen. Sie erhielten die Karte des jeweils anderen und mussten es ausfechten. Aber Mia entkam, ehe das Ass seine ganze Zerstörungskraft entfalten konnte …«
»Ich weiß. Als ich gegen die Tür hämmerte, hat er wohl gezögert, und damit habe ich ihr ein bisschen Zeit verschafft. Aber die Königin – es war Lucrezia, die dunkelhaarige – wirkte gar nicht so verärgert. Sie sagte: ›Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finden würde‹, und lachte leicht. Dann schlenderte sie zu mir, streckte die Hand aus, und noch ehe ich darüber nachdenken konnte, gab ich ihr die Karte, die ich gefunden hatte. Hinter mir rief jemand – einer der Bullen, der mich von dem Ort des Verbrechens oder für was immer sie den Turm auch hielten vertreiben wollte. Also musste ich weg. Aber bevor ich ging, steckte sie mir die Karte in meine Manteltasche. Ich hätte schwören können, dass es dieselbe Karte war, die ich ihr gegeben hatte, aber als ich sie später herausholte, war es der Narr, mit einer Einladung auf der Rückseite, und einer Münze … «
»Hat das, was du erlebt hast, dir keine Angst gemacht? Hast du nicht gezögert?«
»Ich war nervös und habe mich gefragt, in was ich da hineingeraten bin. Natürlich hatte ich Angst. Ich wusste, ich konnte es mir nicht leisten, irgendwelche Fehler zu machen; das ist auch der Grund, warum ich so lange gezögert habe, mein Glück im Arkanum zu versuchen. Ich wollte anständig vorbereitet sein. Trotzdem hatte ich nie auch nur den geringsten Zweifel, dass es … du weißt schon, Bestimmung war. Ich weiß genau, dass du und die anderen auf einer streng geheimen Mission und hinter einem superwichtigen Preis her seid; ich bin bloß ein Mitläufer, das ist mir klar. Aber es ist doch wohl nicht so schrecklich, bei etwas dabei sein zu wollen, oder? Bei etwas, das mächtiger ist als ich, meine ich. Bei etwas, das mächtiger ist und besser und aufregender.«
Ja, sie verstand vollkommen. Die Prinzessin im Turm, Befreiung und Romantik … Und das ist auch schon so ziemlich alles, was das Spiel für ihn bedeutet, dachte Cat bitter. Was immer Flora und Blaine antrieb, es war nicht zu übersehen, dass sie mit derselben Unnachgiebigkeit, mit demselben Zwang ihr Ziel verfolgten – vielleicht sogar mit derselben Verzweiflung – wie sie selbst. Toby wollte bloß den Helden spielen.
»Warum erzählst du mir das ausgerechnet jetzt?«
Er rang die Hände. »Weil … weil … Nachdem wir uns das letzte Mal verabschiedet hatten und ich auf dem Heimweg war, habe ich Mia gesehen. Ich könnte schwören, dass sie es war. Sie ging die Straße entlang.«
»Was hast du getan?«
»Ich bin zu ihr gegangen und wollte Hallo sagen. Wir
sind immerhin im selben Spiel, und ich dachte, es wäre schön, wenn wir uns austauschen könnten. Aber als ich um die Ecke bog, war sie weg. Stattdessen stand da die Königin der Münzen.« Cat stieß scharf den Atem aus. »Bei mir war’s der König der Schwerter. Mit einer Menge großer Worte im Schlepptau, dass ich einen schweren Fehler begehen würde, und ähnlicher Quatsch.«
»Genau wie bei mir!« Tobys Gesicht hellte sich auf. »Wir haben sie ganz offensichtlich aufgeschreckt, und das ist ein gutes Zeichen. Aber … dass Mia da war, hatte … etwas zu bedeuten. Eine Art Omen.«
»Das war nur Schall und Rauch. Ein Einschüchterungsversuch. Das ist alles.«
»Vielleicht.« Er klang nicht überzeugt. »Denkst du, sie haben es auch bei Blaine und Flora versucht?«
»Mit Sicherheit.«
»In dem Fall … nun, vermutlich hat es
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