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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
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fühlst du dich gleich besser.‹ Und ich glaube tatsächlich, dass sie recht hatte.« Sie lachte freudlos. »Allerdings zieht meine Mutter den Gin als Muntermacher vor.«
    Cat erinnerte sich an das Schreien und Brüllen. An den Sprung im Spiegel, so hässlich wie eine Narbe … Sie schluckte und schmeckte den zarten Geschmack von Kirsche auf ihren Lippen. »Ist das der Grund, warum du im Spiel bist? Deiner Eltern wegen?«
    Sie erwartete eigentlich nicht, eine Antwort zu bekommen.
Aber nach einer Weile erwiderte Flora mit ruhiger Stimme. »Nein. Ich bin wegen meiner Schwester im Spiel. Grace ist sieben Jahre älter als ich, und sie ist wunderschön. Und klug. Sie hatte immer dieses … Glänzen an sich, eine Art von Aura, von der sich die Menschen angezogen fühlten, ohne zu wissen, warum.
    Bei diesem großen Altersunterschied hätte man denken sollen, dass sie kaum Zeit für mich übrig hatte. Grace hatte Hunderte von Freunden und fast ebenso viele Interessen und Hobbys. Und da war ich, die kleine Schwester, die ihr ständig am Rockzipfel hing … Aber so war das nicht zwischen uns. Als ich zehn wurde, erfand Grace ein Spiel, nur für uns zwei. Es war unser Geheimnis. Wir taten so, als gäbe es ein verzaubertes Land, das hinter der Ecke auf uns wartete, mit herrlichen Städten und fantastischen Kreaturen. Ein Land, wo Träume wahr werden können. Grace sagte, dass man dieses Land nur mit magischen Münzen betreten könnte. Aber ich konnte nicht dorthingehen, wie sehr ich sie auch anflehte, mich mitzunehmen – ich sei zu klein, meinte sie. Doch sie malte Bilder für mich, Bilder von den Abenteuern, die sie erlebte, und sie erzählte mir Geschichten von Königen und Königinnen, von Rittern und Buben. Von einer Welt voller komplizierter Regeln und fantastischer Aufgaben.
    Ich war eigentlich schon zu alt für Märchen. Viel zu alt, um zu glauben, dass meine Schwester in einer Zauberwelt Abenteuer erlebte. Aber trotzdem war ich besessen von unserem Spiel. Ich habe ihre Sachen durchwühlt und nach der magischen Münze gesucht. Ich bin abends aufgeblieben,
bis sie nach Hause kam; ich habe sogar ein paarmal versucht, ihr zu folgen. Aber ich kam nie besonders weit.
    Ein paar Tage vor Weihnachten war Grace merkwürdig geistesabwesend. Sogar unsere Eltern bemerkten, dass sie etwas beschäftigte. Ich glaube, sie dachten, es hätte etwas mit einem Jungen zu tun. Am Abend des neunzehnten Dezembers kam sie zu mir in mein Zimmer. Sie war erregt, sprühte vor Energie. Aber sie war auch nervös.
    ›Bisher hatte ich Glück‹, sagte sie zu mir. ›Ich bin gut bei diesem Spiel, und die Karten waren mir gewogen. Und ich bin so nah dran, Flo – so nah!‹
    Dann fing sie an, auf und ab zu gehen und sich auf die Lippe zu beißen. ›Aber irgendwie habe ich bei der nächsten Aufgabe ein ungutes Gefühl. Mein vierter Zug, meine letzte Prüfung. Ich weiß nicht …‹
    Ich war glücklich, dass sie wieder unser Spiel spielte. Sie hatte eine Zeitlang nicht mehr darüber gesprochen. Ich hatte schon Sorge gehabt, es wäre ihr langweilig geworden.
    Ich machte gerade meine Hausaufgaben. Es ging um griechische Mythologie. Wir mussten die Geschichte von Theseus und dem Minotaurus lesen. ›Theseus stand auch vor einer Prüfung‹, sagte ich zu ihr. ›Er hat sich in einem Labyrinth verirrt und musste gegen den Minotaurus kämpfen. Aber die Prinzessin hat ihm einen Faden gegeben, damit er den Weg finden konnte, und er tötete das Ungeheuer, entkam und wurde König. Du schaffst es bestimmt auch – wie eine Heldin.‹ Grace schüttelte den Kopf und lächelte. ›Manchmal nimmt es mit Helden ein
schlimmes Ende‹, sagte sie. Ich fragte sie nicht, ob ich ihr bei dieser neuen Aufgabe helfen durfte. Ich wusste, dass das zu nichts führen würde. Aber aus Scherz – obwohl ich es auch irgendwie ernst meinte – gab ich ihr ein Stück rotes Geschenkband. Ich sagte, es würde ihr helfen, zurückzufinden.
    Meine Schwester lachte und umarmte mich und ließ mich mit meinem Buch allein. Sie wollte an diesem Abend zu einer Party gehen. Ein Winterball. Auch unsere Eltern waren nicht zu Hause; ich war mit der Haushälterin allein.
    In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich dachte immerzu an Theseus, einsam und allein im Labyrinth, und an dieses Ungeheuer – halb Mensch, halb Tier mit dem Kopf eines Stieres. Schließlich stand ich auf. Es hatte angefangen zu schneien, und ich sah, dass die Tür am Ende des Gartens offen stand. Ich hatte sie noch nie offen

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