Das Spiel - Laymon, R: Spiel
ja?«
»Zur ›wahren Spükezeit der Nacht‹«, sagte Brace.
»Wie in ›Wo Grüfte gähnen und die Hölle selbst Pest haucht in diese Welt‹?«
»Genau! Sehr gut, Jane! Du scheinst Hamlet gut zu kennen. «
»Und Mog offensichtlich auch. Noch eine Frage, Professor: Was ist die ›wahre Spükezeit‹? Mitternacht?«
»Genau.«
»Schon wieder um Mitternacht. Also gut. Um Mitternacht soll ich Babe suchen. Meint er Babe Ruth, den Baseballspieler? «
»Vielleicht auch Paul Bunyans blauen Ochsen.«
»Oder wieder eine Statue?«
Brace schüttelte den Kopf. »So eine gibt es nicht hier in der Nähe.«
»Dann vielleicht ein Buch? In der Bibliothek?«
»Ich glaube nicht, dass der Name Babe im Katalog steht. Aber wir sollten nicht voreilig sein. Fangen wir am Anfang an.«
»›Wie weit bist du bereit zu gehen?‹«
»Dieser Dreckskerl.«
»Wieso?«
»Seine ständigen Anspielungen.«
»Ach so. Weiter. ›Bis zum Mond?‹«
»Vielleicht steht er auf Sitcoms.«
»Glaubst du?«
Sie wedelte mit der Faust vor seinem Gesicht herum und imitierte Ralph Cramden. »Eines Tages, Alice! Zum Mond! Zum Mond!«
Sie bemerkte Braces Blick und lachte.
»Ein bisschen verrückt bist du schon, oder?«
»Aber nur ein ganz kleines bisschen.«
Er stieß sie sanft mit der Schulter. »Ist schon in Ordnung. Ein bisschen verrückt gefällt mir.«
»Hey!«
»Was?«
»Nichts. ›Zum Mond? Zu den Sternen? Durch die Hölle? ‹ Das ist ja reizend. Die Hölle. Da zieht es mich nicht gerade hin.«
»Aber vorher aufgeben willst du auch nicht, oder?«
»Schätze nicht. Es geht jetzt um achthundert Dollar. Das ist allerdings nicht genug für einen Besuch in der Hölle.«
»Das freut mich zu hören.«
»Ins Paradies will ich auch noch nicht. Die sollen dort ja ziemlich strenge Aufnahmebedingungen haben.«
Brace nickte. »Zum Beispiel, dass man fromm und frei von Sünde ist?«
»Und dass man tot ist.«
Sie lachten. Jane wischte sich seufzend die Augen. »Es ist schon spät. Ich bin ja völlig überdreht.«
»Dann sollten wir zur Sache kommen.«
»Ich glaube, der Umschlag wartet im Paradies auf mich. Und zwar in einem Paradies, das man lebend betreten kann. Vielleicht gibt es dort auch jemanden namens Babe, und er oder sie hat den nächsten Brief für mich.«
»Das wäre möglich«, stimmte ihr Brace zu.
13
Zwei Minuten vor Mitternacht betrat Jane die Paradise Lounge.
Die Bar war schummrig beleuchtet und ziemlich verraucht. Aus einer Ecke des Raumes war das Klicken von Billardkugeln zu hören. Die Jukebox spielte einen Song von Mary Chapin Carpenter.
Könnte schlimmer sein, dachte sie.
Die Bar lag an der berüchtigten Division Street, in einer Gegend, die für ihre hohe Kriminalitätsrate, Kredithaie, Leihhäuser, Pornoläden, Prostituierten, Trinker und Drogensüchtigen bekannt war. Man konnte also davon ausgehen, dass die Paradise Lounge ein ziemlich heruntergekommener Laden war.
»Wetten, dass es diese Kneipe auf der Division ist«, hatte Jane zu Brace gesagt, nachdem sie in den Gelben Seiten nachgeschlagen hatten. Es gab nur vier Einträge, die infrage kamen: Das Paradise-Autokino im Norden der Stadt, den Paradise Gardens Memorial Park, einen Friedhof, die Paradise Lanes, eine Bowlingbahn, und eben jene Paradise Lounge.
»Wieso bist du dir da so sicher?«, hatte Brace gefragt.
»Morgen ist Donnerstag. Das Autokino ist nur Freitag, Samstag und Sonntag geöffnet. Und ich bezweifle, dass die Bowlingbahn unter der Woche bis Mitternacht in Betrieb ist. Aber ich kann ja morgen mal dort anrufen, um sicherzugehen. «
»Was ist mit dem Friedhof?«, hatte Brace gefragt.
»Der Friedhof?«
»Das klingt doch nach einem Ort, an den dich Mog locken würde.«
»Ich will da aber nicht hin.«
»Das will wohl niemand.«
»Sehr witzig. Verflucht, wahrscheinlich meint er wirklich den Friedhof. Vergiss nicht seine Anspielungen auf die Hölle, das Paradies und die Grüfte.«
»Siehst du.«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Dort liegen vielleicht eine ganze Menge Babes.«
»Himmel.«
»Vielleicht ist es ein Name auf einem Grabstein.«
»Ich habe keine Lust, den ganzen Friedhof abzusuchen. «
»Niemand zwingt dich dazu.«
»Ich schaue mir lieber erst mal die anderen Lokalitäten an. Und wenn ich da kein Glück habe, gehe ich auf den Friedhof.«
»Tja, so ist das Leben, am Ende wartet der Friedhof.«
»Du bist ja so witzig und geistreich.«
»Ich werde morgen jedenfalls zu Hause bleiben und mal ausnahmsweise früh ins Bett gehen,
Weitere Kostenlose Bücher